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Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo

Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo

Titel: Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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um seinen gesichtslosen Kopf gewunden worden waren.
    Es war Bartholomew Gray.
    Der Monstrumologe zögerte kaum. Er raste in den ersten Stock, brüllte ihren Namen und trat die Türen mit solcher Gewalt auf, dass die Angeln zersplitterten. Von Helrung holte ihn ein, berührte ihn an der Schulter und schrie auf, als Warthrop herumwirbelte und ihm die Revolvermündung an die Stirn drückte. Der ältere Wissenschaftler zeigte auf eine Tür am Ende der Diele, auf die jemand, vielleicht mit Blut, vielleicht mit dem Inhalt der Gedärme des armen Mädchens, dies geschmiert hatte:
    DAS LEBEN IST
    Von Helrung rief leise: »Nein, Pellinore!«, aber der Doktor war schon an der Tür, die einen Spalt weit offen stand, den Revolver auf Ohrhöhe.
    Er stieß die Tür auf, und etwas fiel aus seinem Versteck darüber – ein Nachttopf, randvoll mit einer matschigen Masse. Der Topf war zwischen dem oberen Türrand und der Wand ausbalanciert gewesen, eine Falle, in die mein Herr Jahre zuvor schon einmal getappt war, nur dass diesmal der Spaß kein Kübel war, der mit dem Blut eines tansanischen Ngoloko gefüllt war. Es war ein Nachttopf voller menschlicher Fäkalien.
    DAS LEBEN IST
    Warthrop taumelte zurück, würgend und spuckend (sein Mund war leicht geöffnet gewesen), Haare und Mantel mit stinkenden Exkrementen durchtränkt. Er fasste sich jedoch schnell und stürzte in das Zimmer. Von Helrung und ich folgten dicht hinter ihm.
    Auf dem Bett ruhte eine dritte Leiche, die dasselbe grüne Kleid trug, das sie getragen hatte, als ich mit ihr getanzt hatte, die Beine obszön gespreizt, die Arme über dem Kopf verschränkt. Auf das Kopfbrett waren die Worte geschmiert worden: »Guter Job!«
    Mit einem erstickten Schrei der Verzweiflung stürmte Warthrop aufs Bett zu – und blieb abrupt stehen, einen Ausdruck beinah komischer Verwirrung auf den sorgenvollen Zügen.
    »Oh nein!«, murmelte er.
    Ich blickte ihm über die Schulter – und ins Gesicht von Bartholomew Gray.
    Die Bestie hatte es abgezogen und über ihr Gesicht gelegt.
    Neben mir stieß von Helrung einen kleinen, entsetzten Schluchzer aus. Der Doktor holte tief Luft, biss die Zähne zusammen und zog die provisorische Maske weg.
    Die Bestie hatte das Gesicht darunter unversehrt gelassen.
    »Regina!«, wisperte von Helrung. »Es ist Regina, die Köchin.«
    Warthrop drehte sich um, und seine Augen waren gefühllos. Er schob sich an uns vorbei und ging auf die andere Seite des Raums zu den Überbleibseln eines Fensters; der Rahmen gab noch ein paar tückisch glänzenden Scherben Halt. Er blickte an ihnen vorbei nach unten auf den kleinen Hof.
    »Wir werden den Rest des Hauses durchsuchen«, sagte er, »aber ich glaube nicht, dass wir ihn finden werden.«
    Er drehte sich um und sah uns an. Ich wandte den Blick ab. Der Ausdruck in seinen Augen war unerträglich.
    »Ich denke, seine Arbeit hier ist getan.«

ZWEIUNDZWANZIG
    »Die Story Ihres Lebens«

    Die Vorhersage des Doktors erwies sich als korrekt. Wir fanden John Chanler nicht – oder das Ding, das einmal John Chanler gewesen war. Ebenso wenig fanden wir Muriel. Entweder war sie entkommen oder er hatte sie mitgenommen. Wir durchsuchten jedes Zimmer vom feuchten Keller bis zur staubigen Dachstube. Während von Helrung drinnen blieb, um die Polizei anzurufen, erkundeten Warthrop und ich die Anlagen, wobei wir unsere Aufmerksamkeit auf den kleinen Hof unter dem zerbrochenen Fenster konzentrierten. Wir fanden nichts Ungewöhnliches. Es war, als hätte John Chanler sich auf den hohen Wind geflüchtet.
    Das Eintreffen des schwarz-weißen Polizeiwagens lenkte beinahe augenblicklich die Aufmerksamkeit der Nachbarschaft auf sich. Die kleine Menschenmenge draußen schwoll schnell an, bis zwei Beamte von ihrer schauerlichen Arbeit abgezogen werden mussten, um die Menschenflut daran zu hindern, den Rasen vor dem Haus zu überschwemmen.
    Kurz darauf erschien der Oberinspektor. Er requirierte die Bibliothek, um die beiden Monstrumologen zu verhören. Von Helrung war achtungsvoll, sogar kleinlaut; da er wusste, wie weit Byrnes gehen würde, um jemanden für das Verbrechen zu verhaften – seine brutalen Methoden waren legendär –, verstand der ältere Monstrumologe seinen Vernehmungsbeamten besser als Warthrop, der grob und kampfbereit auftrat und mehr Fragen stellte, als er beantwortete.
    »Haben Sie John Chanler gefunden?«, fragte er gebieterisch.
    »Sie und ich würden diese Unterhaltung nicht führen, wenn es so wäre«, antwortete

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