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Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo

Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo

Titel: Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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frustrierten Stöhnen ließ Warthrop seinen Gefangenen los. Er machte ein paar schnelle Schritte von ihm weg, dann drehte er sich wieder um. Er stieß den Finger in die Richtung von Chanlers Nase.
    »Ich habe keine Angst, aber Sie haben allen Grund dazu! Wenn irgendetwas an unseren Vorstellungen von Himmel und Hölle dran ist, dann werde nicht ich es sein, der die Ewigkeit zubringt, indem er sich in Scheiße wälzt! Möge Gott Sie verdammen, weil Sie den feinen Namen Chanler mehr lieben als das Leben Ihres eigenen Sohnes! Erklären Sie das am Tag des Jüngsten Gerichts – der vielleicht schneller kommt, als Sie es erwarten.«
    »Bedrohen Sie mich etwa, Sir?«
    »Ich bin keine Bedrohung für Sie. Was dieses Haus heimgesucht hat, ist die Bedrohung, und es erinnert sich, Chanler. Falls ich überhaupt verstehe, was ihn antreibt, dann sind Sie als Nächstes dran .«
    Wir kehrten ins von helrungsche Haus zurück, wo der Doktor sich die Schweinerei aus Gesicht und Haaren wusch und sich seines ruinierten Reitmantels entledigte. Von Helrung war offensichtlich bis ins Mark erschüttert und von Schuldgefühlen – hätten wir unsere Expedition doch nur früher gemacht, als Muriels Anruf ausblieb – und Kummer gepeinigt. Schließlich hatte Bartholomew jahrelang in seinen Diensten gestanden.
    Warthrop kam allmählich ans Ende seines beträchtlichen Durchhaltevermögens. Mehrere Male rannte er zur Tür und schwor, jeden Boulevard und jede Straße, jeden Hinterhof und jede Seitengasse zu durchsuchen, bis er sie gefunden hätte. Jedes Mal, wenn er so tat, als wollte er das Weite suchen, zog von Helrung ihn zurück.
    »Die Polizei ist jetzt ihre beste Chance, Pellinore. Sie werden auf keinen Mann verzichten, um sie zu finden; das weißt du, mein Freund. «
    Der Doktor nickte. Trotz – oder sogar wegen – Archibald Chanlers Einfluss würde kein Mann untätig bleiben, solange John Chanler frei herumlief. Und Oberinspektor Byrnes war dafür bekannt, skrupellos zu sein. Es war immerhin Byrnes gewesen, der jene spezielle Verhörform ersonnen hatte, die »die dritte Stufe« genannt und die von manchen Kritikern zu Recht als Folter bezeichnet wurde.
    »Wovon hat Chanler vorhin gesprochen?«, fragte der Doktor von Helrung. »Dieser Unsinn, dass alles ihre Schuld sei?«
    Von Helrung lächelte schwach. »Weißt du, er mochte Muriel nie besonders gern«, erklärte er. »Er möchte einfach allen andern die Schuld geben, nur nicht John.«
    »Dabei ist mir etwas eingefallen, was Muriel gesagt hat«, fuhr der Doktor fort, indes sich seine blutunterlaufenen, zusammengekniffenen Augen auf seinen alten Mentor hefteten. »Sie hat mir erzählt, es sei meine Schuld. Dass ich ihn in die Wildnis geschickt hätte. Es kommt mir über die Maßen merkwürdig vor, Meister Abram, wie jeder, der in diese Sache involviert ist, einem anderen die Schuld in die Schuhe schiebt als der Person, die ihn tatsächlich dorthin geschickt hat.«
    »Ich habe John nicht gesagt, er soll gehen.«
    »Es war ganz allein seine Idee? Er hat freiwillig sein Leben aufs Spiel gesetzt, um etwas zu suchen, an dessen Existenz er nicht glaubte?«
    »Ich habe ihm meine Abhandlung gezeigt, aber ich habe nie vorgeschlagen …«
    »Großer Gott, von Helrung, können wir nicht endlich mit diesen albernen semantischen Spielchen aufhören und offen miteinander reden? Verdient unsere Freundschaft nicht die Wahrheit? Wieso sollte Muriel mir die Schuld geben und Archibald Muriel? Was hat einer von uns mit Johns Wahnsinn zu tun?«
    Von Helrung verschränkte die Arme vor dem dicken Brustkasten und neigte den Kopf. Er wiegte sich auf den Füßen. Für einen Moment lang dachte ich, er würde umkippen.
    »Alle Samen müssen in etwas Wurzel fassen«, murmelte er.
    »Was zum Teufel soll das nun wieder heißen?«
    »Pellinore, mein alter Freund … du weißt, dass ich dich liebe wie meinen eigenen Sohn. Ich sollte nicht von diesen Dingen sprechen.«
    »Wieso?«
    »Es dient keinem Zweck, außer Schmerzen zu verursachen.«
    »Das ist besser als gar keinem Zweck.«
    Von Helrung nickte. In seinen Augen schimmerten Tränen. »Er wusste es, Pellinore. John wusste es.«
    Warthrop wartete darauf, dass er weitersprach; jeder seiner Muskeln war angespannt, jede Sehne straff, als er sich gegen den Schlag wappnete.
    »Ich kenne nicht alle näheren Umstände«, fuhr sein alter Lehrmeister fort. »An dem Tag, als er nach Rat Portage aufbrach, stellte ich ihm dieselbe Frage, die du jetzt mir stellst: ›Wieso? Wieso,

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