Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo

Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo

Titel: Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
Vom Netzwerk:
ziemlich groß«, sagte Dobrogeanu. »Selbst für fünf Monstrumologen – sechs, wenn wir Pellinore mitzählen –, von denen zwei die Blüte ihrer Jahre schon ein gutes Stück hinter sich haben, wenn Sie mir die Bemerkung verzeihen, Abram. Wenn dies tatsächlich sein auserwähltes Jagdrevier ist, wie gedenken Sie dann unsere Beute in die Enge zu treiben?«
    »Das können wir nicht. Aber wir können die Hilfe von jemandem in Anspruch nehmen, der diese Gründe besser als jeder andere auf dieser Insel kennt. Ich habe mir die Freiheit genommen, ihn einzuladen, uns auf unserer kleinen Expedition zu begleiten –«
    Er wurde vom Läuten der Türglocke unterbrochen. Von Helrung warf einen Blick auf seine Taschenuhr. »Ah, wenn man vom Teufel spricht – pünktlich auf die Minute! Will, sei so nett und geleite Mr. Jacob Riis in unsere Versammlung!«

FÜNFUNDZWANZIG
    »Seine einzige Hoffnung«

    Jacob Riis war ein kleiner Mann am Scheitelpunkt mittleren Alters und eine Studie in Geometrie. Alles an seiner Statur, von seinen kleinen Füßen bis hin zu seinem großen Kopf, gemahnte an ein Rechteck, was nur durch seine runde Brille ausgeglichen wurde, durch die er mich jetzt anfunkelte.
    »Ich suche einen Dr. Abram von Helrung«, brummte er mit starkem skandinavischem Akzent.
    »Ja, Sir, Mr. Riis. Er erwartet Sie. Bitte hier entlang, Sir.«
    »Ah, Riis! Gut, gut, Sie sind da. Ich danke Ihnen!« Von Helrung gab seinem Gast energisch die Hand und machte den Dänen schnell mit dem Rest der Jagdgesellschaft bekannt. Sie kannten Riis natürlich, wenn auch nur dem Namen nach. Zehn Jahre lang war Riis unnachgiebig in seinen Forderungen nach Sozialreformen gewesen; seine Rufe wurden gehört, jedoch größtenteils ignoriert, bis 1890 sein Buch Wie die andere Hälfte lebt erschien, eine flammende Anklageschrift der Übel des Mietskasernenlebens in Wort und Bild. Das Buch enthüllte das offene, schmutzige Geheimnis der Slums New Yorks inmitten des Gilded-Age-Überflusses und erschütterte die Stadt bis ins selbstzufriedene Mark. Wie diejenigen, deren elende Leben er in seinem Werk verewigt hatte, war auch Riis ein Einwanderer, von Beruf Journalist, der für die New York Tribune eine Geschäftsstelle direkt gegenüber dem Polizeihauptquartier in der Mulberry Street unterhielt, in welchem ich erst jüngst Oberinspektor Byrnes’ ganz besondereArt von Gastfreundschaft genossen hatte, an der ich immer noch laborierte.
    Riis zog es sofort zu den Zeitungsausschnitten an der Wand hin.
    »Blackwood!«, murmelte er, als er die Verfasserzeile las. »Algernon Henry Blackwood. Und jetzt verlangen meine Herausgeber von mir , darüber zu berichten. Wissen Sie, was ich ihnen sage? ›Fragen Sie doch Blackwood! Blackwood weiß alles!‹ Das sage ich ihnen!«
    Von Helrung lächelte nachsichtig, legte seinem Gast eine gesellige Hand auf den Arm und wandte sich den andern zu. »Ich habe Mr. Riis bezüglich unseres kleinen Problems uneingeschränkt ins Vertrauen gezogen. Er weiß alles, was Sie wissen, und Sie können sich ganz auf ihn verlassen.«
    Riis grunzte. »Na ja, ich kann nicht behaupten, dass ich viel von dieser Monstrumologiesache halte. Sieht für mich aus wie eine Entschuldigung für erwachsene Männer, sich wie Jungen zu benehmen, die im Wald nach Fröschen jagen, aber diese jüngste Angelegenheit ist von großem Interesse für mich.« Er nickte zur Karte hin. »Von Helrungs Theorie ist ziemlich plausibel, ungeachtet dessen, was dahinterstecken mag, Mensch oder Monster. Ich werde alles tun, was ich kann, aber es ist mir nicht ganz klar, was das sein soll. Was wollen Sie von mir?«
    »Wir brauchen einen Mann, der das Territorium kennt«, erklärte von Helrung. »Besser als jeder andere, sogar besser als das Wesen, das wir jagen. Sie sind dort gewesen. Jahrelang haben Sie jede Seitenstraße und jede Gasse durchstreift – wir nicht. Sie waren in ihren Wohnungen, ihren Kirchen und Synagogen, ihren Kaschemmen und Penny-Bier-Spelunken und Opiumhöhlen. Mit uns – oder mit der Polizei – werden sie nicht reden, mit Ihnen schon. Sie vertrauen Ihnen. Und genau dieses Vertrauen ist es, das sie vor der Bestie retten wird.«
    Riis starrte ihn einen Moment lang an. Dann blickte er auf die anderen Monstrumologen, die ernst nickten. Einen Augenblick lang dachte ich wirklich, er würde in Gelächter ausbrechen.Er tat es jedoch nicht, sondern wandte sich wieder an von Helrung und fragte: »Wann fangen wir an?«
    »Wir müssen warten bis morgen. Auch wenn

Weitere Kostenlose Bücher