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Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo

Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo

Titel: Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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zurücklegen brauchen, aber stattdessen hat er ihn umgebracht. Es ist ja nicht wie bei Doktor Chanler. Den müssen sie umbringen, denn wenn sie’s nicht machen, wird er einfach weiterfressen. Onkel sagt, es gibt kein Gefängnis auf der Erde, das einen Wendigo halten kann.«
    »Er ist kein Wendigo«, versetzte ich, stets der loyale Diener Warthrops. »Wendigos sind nicht real.«
    »Sag das mal Muriel Chanler!«
    Meine Wangen brannten. Ich verspürte das jähe, beinah überwältigende Verlangen, sie zu schlagen.
    »Sie hat nie aufgehört, ihn zu lieben«, redete sie weiter. »Dasist was, was du nicht verstehst, Will, weil du ein Junge bist. Dr. Chanler wusste es und konnte es nicht ertragen, und deshalb ging er fort nach Kanada, und ich glaube nicht, dass er jemals wirklich geglaubt hat, dass er wiederkommen würde. Sein Herz war gebrochen. Die Frau, die er liebte, hatte nie aufgehört, seinen besten Freund zu lieben. Kannst du dir etwas Tragischeres als das vorstellen? Und dann rettet sein bester Freund ihn und bringt ihn ihr zurück, nur dass er jetzt nicht mal mehr ein Mensch ist –«
    »Hör auf damit!«, rief ich. »Hör bitte auf damit!«
    Ich schob mich vom Tisch weg und wankte auf die Tür zu. Sie kam mir nach und sagte dabei: »Was ist los, Will? Wo gehst du hin?«
    »Lass mich in Ruhe!«
    »Ein schöner Monstrumologenlehrling bist du!«, rief sie mir hinterher. »Was hast du gedacht, worum es überhaupt ging, als er dich aufgenommen hat, William James Henry? Was hast du gedacht, worum es überhaupt ging?«
    Ich blieb in dem Zimmer neben dem des Doktors und warf mich im Bett ruhelos auf diese und auf jene Seite, bis die Uhr zehn schlug und die ersten Monstrumologen eintrafen. Ich hörte ihre Stimmen unten, tief und düster wie Trauernde in einem Sterbehaus, und das machte mich wütend, dass sie sich benahmen, als wäre der Doktor schon verloren. Mein Kummer spornte mich an, mein dringendes Bedürfnis nach Ruhe aufzugeben. Auf dem Weg nach unten warf ich einen verstohlenen Blick in sein Zimmer und fand ihn fest schlafend vor. Ich beschloss, ihn nicht zu wecken. Ich wollte ein weiteres Zusammentreffen mit Lilly riskieren und an ihrer Strategiesitzung teilnehmen, und sei es auch nur, um den Doktor zu repräsentieren. Er würde wissen wollen, was in seiner Abwesenheit geplant wurde.
    Ich traf sie in der Bibliothek an – von Helrung, den kleinen Franzosen Damien Gravois, Dr. Pelt und zwei andere Monstrumologen, die ich noch nicht kennengelernt hatte und deren Namen, wie ich erfahren sollte, Torrance und Dobrogeanu waren. Die Bibliothek war zur Stabsstelle ihrer sich im Anfangsstadium befindlichen Operation umfunktioniert worden. Auf eine Wand war eine große Karte der Insel geklebt worden. Nadeln mit leuchtend roten Köpfen tüpfelten die Oberfläche und kennzeichneten die Stellen, wo Chanlers Opfer umgekommen waren; ich zählte insgesamt acht, drei mehr als die, von denen ich wusste. Die Bestie war fleißiger gewesen, als mir klar gewesen war. Es wird nicht aufhören zu jagen , hatte von Helrung gesagt. Es wird töten und fressen, bis jemand es tötet .
    Neben der Karte hingen Zeitungsausschnitte mit reißerischen Schlagzeilen: WAHNSINNIGER GEHT IN DER STADT UM. MASSIVE GROSSFAHNDUNG NACH AMERIKANISCHEM »RIPPER« IM GANGE. Und diese pikante hier, aus einer früheren Ausgabe: POLIZEI DEMENTIERT GERÜCHTE ÜBER VERMISSTE FRAU/WO STECKT MRS. JOHN CHANLER?
    »Wo steckt Warthrop?«, fragte Dr. Pelt. »Wir sollten nichts ohne ihn beschließen.«
    »Er erholt sich von seinem Martyrium durch die Leute unseres geschätzten Inspektor Byrnes«, antwortete von Helrung. »Möge Gott in seiner Gnade Pellinore Beistand bei seinen Leiden gewähren – und möge Gott in seiner himmlischen Gerechtigkeit die New Yorker Polizei mit einer Plage heimsuchen!«
    »Wir können ihn ja immer noch später von unseren Plänen in Kenntnis setzen«, meinte Gravois. »Oder Monsieur Henry kann es tun, der sich da drüben bei der Tür im Schatten versteckt hält. Veuillez entrer , Monsieur Henry. Du kannst als Sekretär für unsere Beratungen dienen!«
    Von Helrung hielt das für eine ausgezeichnete Idee. Er wies mir einen Platz am Tisch an und besorgte mir Papier und einen Stift, damit ich, mit seinen Worten, die Augenblicke der ersten offiziellen Untersuchung der Spezies Lepto lurconis in der Geschichte der Monstrumologie festhalten konnte.
    »Dies ist ein zukunftsweisender Moment, Will, mein Freund . Wir sind wie die ersten

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