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Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo

Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo

Titel: Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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das, Will Henry?«
    »Das Beste, was mir einfiel, Sir.«
    Wir gingen in Richtung Hafenviertel, fort von unserem Hotel.
    »Wo gehen wir hin?«, fragte ich.
    »Chanler«, antwortete der Monstrumologe kurz angebunden. »Aus irgendeinem unerfindlichen Grund hat er es sich in den Kopf gesetzt, dass er dir ein Wort des Dankes schuldet.«
    Er erholte sich in der Privatwohnung des städtischen Apothekers und einzigen Zahnarztes. Die Wohnung befand sich im ersten Stockwerk direkt über der Handelsniederlassung in einem bedenklich aussehenden Gebäude auf der anderen Straßenseite des Kais.
    Ich will gern zugeben, dass mein Aufstieg zu John Chanlers Zimmer mit keinem geringen Maß an Besorgnis behaftet war. Der Doktor, der mein Unbehagen möglicherweise spürte, nahm mich beiseite, bevor wir hineingingen.
    »Er erinnert sich an nichts, Will Henry. Seine körperliche Genesung ist geradezu bemerkenswert gewesen, aber geistig … Versuche unter allen Umständen, deine Zunge im Zaum zu halten, und vergiss nicht, dass er mehr durchgemacht hat als jeder von uns!«
    John Chanler saß in einem Schaukelstuhl am Fenster. Die Spätnachmittagssonne badete sein Gesicht mit einer Art verwaschener Strahlung, so wie manchmal die Toten in ihrem Sarg zu leuchten scheinen. Als Erstes fiel mir auf, dass er sich, wie der Doktor, eine Rasur und einen Haarschnitt gegönnt hatte. Die Fülle seines Gesichts ließ seine Augen kleiner wirken, mehr im Verhältnis zum Rest. Natürlich war er immer noch schrecklich dünn. Sein Kopf schien riskant auf dem spindeldürren Hals zu balancieren.
    »Hallöchen ihr da!«, rief er leise, indes er mich mit einer frisch manikürten Pratze näher winkte. »Und du musst Pellinores Will Henry sein! Ich glaube nicht, dass wir einander richtig vorgestellt worden sind.«
    Seine Hand war eiskalt, doch sein Griff fest.
    »Ich bin John«, sagte er. »Ich bin so froh, dich kennenzulernen, Will – und ich bin hocherfreut zu sehen, dass du wieder auf den Beinen bist. Pellinore hat mir gesagt, dass du gesundheitlich nicht ganz auf dem Posten warst.«
    »Ja, Sir«, antwortete ich.
    »Und jetzt fühlst du dich viel besser.«
    »Ja, Sir.«
    »Freut mich zu hören!« Seine Augen hatten den Gelbton verloren. Als ich das letzte Mal in diese Augen geblickt hatte, schienen sie mit goldenem Feuer zu brennen.
    »Du siehst genau wie er aus«, sagte Chanler leise. »Dein Vater. Die Ähnlichkeit ist bemerkenswert.«
    »Sie kannten meinen Vater?«, fragte ich.
    »Oh, jeder kannte James Henry. Er war praktisch an Warthrops Hüfte festgemacht. Ein schrecklicher Verlust, Will. Es tut mir leid.«
    In dem verlegenen Schweigen, das darauf folgte, blickten wir einander über einen Abstand hinweg an, der sich viel größer anfühlte als die wenigen Schritte, die uns trennten. Es war eine eigenartige Ausdruckslosigkeit an ihm, eine Flachheit in seiner Modulation, wie bei einem schlechten Schauspieler, der von einem Manuskript abliest, oder wie das Nachplappern von Worten einer Sprache, die er nicht verstand.
    »Will Henry«, sagte der Doktor. »John wollte dir danken.«
    »Genau! Pellinore berichtete mir, dass deine Dienste für meine Rettung unentbehrlich waren.«
    »Es war Dr. Warthrop«, sagte ich schnell. »Er hat Sie vor Jack Fiddler gerettet, und er hat Sie getragen, Sir; er hat Sie den ganzen Weg getragen. Meilen und Meilen hat er Sie getragen –«
    »Will Henry«, sagte der Doktor. Er schüttelte leicht den Kopf und formte mit den Lippen das Wort »nein«.
    »Nun ja! Du bist eben deines Vaters Sohn, William James Henry! Froh, nützlich zu sein, geehrt in seiner erlauchten Gesellschaft zu sein, et cetera et cetera.« Er wandte sich an meinen Herrn. »Was ist das für ein Zauber, den du auf Untergebene ausübst, Pellinore? Wieso können sie in dir nicht den jähzornigen alten Hinterwäldler erkennen, der du bist?«
    »Vielleicht hat es etwas mit der Tatsache zu tun, dass meine Gesellschaft nun einmal erlaucht ist .«
    Chanler lachte, was tief in seiner Brust ein Rasseln hervorrief. Die dadurch gezeitigte Spucke wischte er sich mit dem Handrücken vom Kinn.
    »Das war mein größter Fehler«, sagte er. »Ich hätte dich mit auf meine Expedition nehmen sollen, Pellinore.«
    »Ich wäre nicht mitgekommen.«
    »Nicht einmal um der alten Zeiten willen?«
    »Nicht einmal derentwillen, John.«
    »Weißt du, es macht nichts, dass ich keinen Erfolg gehabt habe. Der alte Mann wird nicht aufgeben.«
    »Ich bin darauf vorbereitet, mich mit von Helrung zu

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