Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo
jenem Tag vergangen, meinem ersten in dieser Stadt der Städte, diesem alles überstrahlenden Juwel in Amerikas Finanz- und Kulturkrone, dem lebendigen Symbol seines Wohlstands.
Das Bild ist vollständig in meiner Erinnerung bewahrt. Seht – da fährt er nun, um die Ecke auf die Sixth Avenue! Klein William James Henry, weit weg von seinem winzigen Neuenglandweiler, und lehnt sich aus dem Fenster seiner drängelnden Droschke, den kleinen Mund weit aufgesperrt, so glotzäugig wie der verdutzteste Bauerntölpel direkt aus der finstersten Provinz, und staunt mit unverblümter Verwunderung über die architektonischen Triumphe der Prachtstraße, die alles in den Schatten stellen, was er jemals im ländlichen Raum Massachusetts gesehen hat, höher als die höchste Kirchturmspitze.
Seht ihn jetzt, wie sein Gesicht aufleuchtet vor Entzücken über die Parade, die zu beiden Seiten vorbeizieht: Kutschen und Karren, Lieferwagen und geräumige Broughams, vornehme Damen in ihren farbenfrohen Krinolinen und Stutzer, stutzerhafter als der geckenhafteste Geck, die sich mit gespreizten Beinen auf Klapperkastenfahrrädern so gekonnt wie Tonnenreiter beim Rodeo durch die Fuhrwerke der Verkäufer schlängeln. Bis Sonnenuntergang war es noch fast zwei Stunden hin, aber die Gebäude auf der Westseite warfen lange, alles verschlingende Schatten, zwischen denen die granitene Fahrbahn wie goldener Honig in rauchigen Strahlen schrägen Lichts glänzte, Licht, das die Fassaden entlang der Ostseite in denselben malerischen Farbton tauchte.
So schien es dem zwölfjährigen Jungen vom Lande, dass er, durch die merkwürdigsten und schrecklichsten Umstände, in einer Stadt aus Gold eingetroffen wäre, wo hinter jeder Ecke Wunder auf ihn warteten und wo er, wie die Zehntausende von Einwanderern, die vor und nach ihm kamen, vielleicht seine traurige Vergangenheit abschütteln und den hellen und glitzernden Mantel unbegrenzter Möglichkeiten anziehen konnte. Hören Sie es – ich bestimmt! –, sein kaum unterdrücktes Kichern hinter diesem albernen Grinsen?
Aber höre, William James Henry, deine Freude wird von kurzer Dauer sein. Dieses Festmahl für Augen und Ohren wird bald von deinem Tisch geraubt werden.
Das goldene Licht wird erlöschen, und der Sturz in die Dunkelheit wird geschwind und unaufhaltsam sein.
Neben mir teilte der Monstrumologe keinen Funken meiner Freude; er war in den Brief versunken, den ihm der Böhme übergeben hatte. Er las ihn mehrmals durch, bevor er ihn mir mit einem nachdenklichen Seufzer reichte. Er lautete:
Mein lieber Warthrop.
Alter Freund, ich beginne mit der aufrichtigsten Entschuldigung – verzeihen Sie mir! Ich hätte Sie persönlich vom Bahnhof abgeholt, doch vieles verlangt meine Aufmerksamkeit, und ich kann nicht fort. Herr Skala ist ein ausgezeichneter Mann, dem Sie, wie auch ich es tue, bis ins Kleinste vertrauen können. Sollte er Sie enttäuschen, sagen Sie es mir, und es wird sich damit befasst werden!
Worte können meiner Begierde, Sie wiederzusehen, keinen Ausdruck verleihen, denn es ist zu lange her, alter Freund, und vieles ist seitdem geschehen – vieles wird in den kommenden Tagen geschehen –, doch das soll nicht geschrieben werden, und wir haben viel zu besprechen.
Ich bedaure, dass ich Sie heute Abend bei der Soiree nicht geziemend begrüßen kann – es gibt dringendere Angelegenheiten, die meine Aufmerksamkeit erheischen –, aber ich hoffe inständig, dass Sie als Entschädigung für meine schändliche Abwesenheit meine Einladung zum Essen morgen annehmen werden. Herr Skala wird Sie um Viertel nach sieben an Ihrem Hotel abholen.
Es erlaubt sich zu verbleiben,
Ihr ergebener Diener,
A. von Helrung.
»Ich vermute, mein alter Lehrmeister wäre nicht so begierig, mich zu sehen, wenn er von unseren Plänen wüsste, Will Henry!«, brummte er.
Kaum waren die Worte seinen Lippen entflohen, als der Hansom mit einem Ruck zum Stillstand kam und mein Kopf mit solcher Gewalt nach vorn gerissen wurde, dass mein Hut auf die Bodendielen flog. Während ich mich bückte, um ihn aufzuheben, sprang der Doktor auf den Bürgersteig und ging mit langen Schritten ohne einen Blick zurück davon, indes der leichte Wind seinen dunklen Mantel in zephirischem Tanz um ihn wehte.
Ich hüpfte von der Kutsche, nur um mich beim Ausstieg, genau wie beim Einstieg, dem großen, schlitzäugigen Diener von Helrungs gegenüberzusehen. Zuerst sagte er nichts; er starrte mich nur an, aber diesem Starren mangelte es auf
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