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Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo

Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo

Titel: Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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Exemplaren, zusammengetragen aus den entlegensten Gegenden der Welt, vom boshaften Vetter des Gigantopithecus , dem Kangchenjunga rachyyas aus dem Himalaya, bis hin zum mikroskopisch kleinen, aber nicht weniger schrecklichen Vastarus hominis (sein Name bedeutet wörtlich »Verwüster des Menschen«) aus Belgisch-Kongo. 1875 gab ein Witzbold in einem Anfall von schottischem Esprit dem Monstrumarium den Spitznamen »der Bestienbunker«, und dieser Name war hängen geblieben.
    Das sogenannte Untere Monstrumarium, auf das Lilly und ich jetzt mit schlurfenden Schritten zusteuerten – wobei wir mit den Fingerspitzen an den klammen, unterirdischen Mauern entlangfuhren, um im Dunkeln die Orientierung nicht zu verlieren –, war dem ursprünglichen Gebäude 1867 hinzugefügt worden. Das Untere Monstrumarium, ein Labyrinth aus gewundenen Korridoren und Räumen mit bedrückend niedrigen Decken, manche nicht größer als ein Wandschrank, war der Verwahrungsort für Tausende von noch zu katalogisierenden Exemplaren und grausigen Kuriositäten. In unzähligen Räumen ächzten Regale unter der Last von Tausenden von Einmachgläsern, in denen unidentifizierte Stückchen Biomasse in Konservierungslösung schwebten, wo sie, soviel ich weiß, auch heute noch stehen. Ein winziger Prozentsatz trug Etiketten, und auf denen standen nur der Name des Beisteuernden (falls bekannt) und das Datum der Schenkung; die Übrigen waren namenlose Erinnerungen an die unermesslichen Bestandteile, die das monstrumologische Universum bildeten, das scheinbar unerschöpfliche Spektrum der Kreaturen, die ein unergründlicher Gott entworfen hatte, um uns zu schaden.
    Wir betraten ein kleines Vorzimmer, wo Lilly sich eine Lampe schnappte, die an einer Eisenspitze hing, die in der Betonmauer verankert war. Die Luft war kühl und muffig. Unser Atem sammelte sich im Lampenlicht.
    »Wohin gehen wir?«, fragte ich.
    »Ruhig, Will!«, sagte sie, indem sie die Stimme leicht erhob. »Sonst weckst du noch Adolphus auf.«
    »Wer ist Adolphus?« Sofort war ich davon überzeugt, dass das Verlies von irgendeinem gewaltigen, menschenfressenden Wesen bewacht wurde.
    »Pst! Geh einfach hinter mir her und sei ruhig !«
    Adolphus, wie es sich herausstellte, war an diesem Tag gar nicht im Unteren Monstrumarium. Seine Tätigkeit führte ihn nur selten dort hinunter, denn er war kein Monstrumologe und sah sich selbst nicht als Zoowärter. Vielmehr war er der Kurator des eigentlichen Monstrumariums.
    Adolphus Ainsworth war ein sehr alter Mann, der auf die Hilfe eines Gehstocks angewiesen war. Dessen oberes Ende war aus dem Schädel des ausgestorbenen Ocelli carpendi gefertigt, einem nachtaktiven Raubtier von ungefähr der Größe eines Kapuzineraffen mit sechs Zoll langen, rasiermesserscharfen Reißzähnen, die aus dem Oberkiefer herausragten, und einer besonderen Vorliebe für den menschlichen Augapfel (wenn der von anderen Primaten nicht verfügbar war), besonders für die Augen von Kindern, die der Ocelli ihnen im Schlaf aus den Höhlen riss. Adolphus hatte den Schädel Ödipus getauft und hielt sich deshalb für besonders schlau, ungeachtet des lästigen Details, dass Ödipus sich die Augen selbst ausgestochen hatte.
    In jenem Herbst 1888 war Adolphus Ainsworth schon weit in seinem vierzigsten Jahr unter der Erde, und diese sonnenlosen Jahre hatten von seiner Erscheinung ihren Tribut gefordert. Seine Augen waren schwach und trieften und wurden dreifach von seiner dicken Brille vergrößert. Sein Mantel war abgetragen, die Ärmel einen Zoll zu kurz und zerrissen. Er schleppte sich in einem Paar alter, an den Zehen offener Pantoffel durch die schmalen Korridore, und in dem düsteren Licht schimmerten seine Zehennägel wie polierte Bronze.
    Während seiner Amtsdauer als Kurator des Monstrumariums manifestierte sich eine Maxime: »Man kann Adolphus kommen riechen«, welche sich auf eine Entwicklung oder ein Ereignis bezog, die leicht vorherzusagen waren, im Sinne von »so sicher wie auf den Tag die Nacht folgt«. Das Aroma dieser unterirdischen Stockwerke – eine übel riechende Mixtur aus Formaldehyd, Schimmel und Fäulnis – schien ihm direkt aus den Poren zu sickern. Ein gewisser Monstrumologe, der ihm nahestand, äußerte einmal höflich die Vermutung, der Geruch würde von seinen üppigen Koteletten aufgesaugt, und schlug vor, er sollte sich vielleicht rasieren. Adolphus verwahrte sich dagegen und tadelte den Mann scharf, denn da er so kahl wie eine Billardkugel war,

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