Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes
Whitechapel-Morde letztes Jahr verhört. Man kann nicht vernünftig mit ihm reden. Wenn er den Befehl bekommen hat, Sie zu töten, wird er Sie töten !«
Der Monstrumologe weigerte sich, das Vertrauen fahren zu lassen, das er in die Vernunft setzte; er war Wissenschaftler, wie er gesagt hatte; die Vernunft war seine Göttin. Ruricks Zögern, den Abzug zu betätigen, hatte den Doktor ohne jeden Zweifel davon überzeugt, dass er recht gehabt hatte: Die Russen wussten, dass Sokotra die Heimat des Magnificums war. Er konnte jedoch Arkwright seinen Gedankengang nicht darlegen; das zu tun, hätte den Briten alles verraten.
»Und wie, schlagen Sie vor, sollen wir in diesem Fall vorgehen, Arkwright?«, fragte er.
Der englische Spion zwinkerte ihm zu. »Überlassen Sie alles mir!«
* * *
Warthrop seufzte seinem Spiegelbild zu. »Nun, du weißt ja, was als Nächstes passiert ist. Arkwright ›enthüllte‹ ihnen, wie die Briten mit mir zu verfahren vorhatten, sobald ich den Standortdes Magnificums entdeckt hätte. Es war, gab er zu, nicht das erste Mal, dass eine ›Unbequemlichkeit‹ für die Krone sich in einem Heim für Geisteskranke wiederfand. Rurick war skeptisch oder vielleicht auch einfach nur verwirrt, aber Plešec biss sofort an, hielt es für einen kapitalen Einfall und ziemlich lustig. Eine weitere halbe Stunde später waren wir auf dem Weg nach Hanwell. Am Torhaus nahm Rurick Arkwright beiseite, stieß ihm den Smith & Wesson in die Rippen und teilte ihm mit, dass er wisse, wo seine Familie lebte, und er seinen Teil der Abmachung besser einhielte, was so viel hieß wie von Helrung davon zu überzeugen, dass ich auf der Jagd nach dem Magnificum das Zeitliche gesegnet hatte. Alle trennten sich hochzufrieden voneinander, mit Ausnahme der einen Person, die kurz davorstand, bis ans Ende ihrer Tage in eine Irrenanstalt gesteckt zu werden. Arkwright war erfreut, dass er mit der Information davonkam, die er von uns hatte bekommen wollen, und mit seinem Leben; die Russen waren zufrieden, weil das Geheimnis von Sokotra sicher war; und beide Parteien hatten das Gefühl, dass nichts mehr zu befürchten war.«
Unversehens überkam mich ein Empfinden von Traurigkeit und ein herzzerdrückendes Schuldgefühl ob des Schicksals von Thomas Arkwright. Ich hatte ihm erst misstraut und ihn dann gehasst, weil er mir Warthrop weggenommen hatte, hatte im Geiste über ihn zu Gericht gesessen und ihn für ein Verbrechen verurteilt, das nur in meinem Kopf stattgefunden hatte, und am Ende war es nicht ein »verdammter, seelenloser Mörder«, der seine Abschlussprüfung inszeniert hatte, kein »gemeiner König« wie in Torrances Parabel. Nein, es war ein dreizehnjähriger Junge, der, von Eifersucht und Selbstgerechtigkeit zerfressen, sich selbst in die Rolle des Beschützers und Rächers eines Mannes aufgeschwungen hatte, der ihn zugunsten eines anderen zurückgewiesen und aus dem exklusiven Dunstkreis seiner Anwesenheit exiliert hatte.
Achtundzwanzig
»Das Problem mit Venedig«
Der Doktor war nicht erfreut, dass seine große Suche nach dem höchsten Preis in der Monstrumologie durch einen sechsstündigen Aufenthalt in Venedig verzögert werden würde – ungeachtet der Tatsache, dass es sich um Venezia handelte, La Serenissima , die Königin der Adria, eine der schönsten – wenn nicht die schönste – Städte auf Erden.
Wir kamen gegen drei Uhr nachmittags an einem warmen, strahlenden Spätfrühlingstag an; die nach Westen ziehende Sonne verwandelte die Kanäle in Bänder aus Gold, und die Gebäude, die die östlichen Ufer säumten, glänzten wie Juwelen. Die lieblichen Serenaden der Gondolieri hüpften aus ihren Booten und tanzten fröhlich hinter uns her, entlang jedes engen Sträßchens und jeder schmalen Gasse, und goldenes Licht sammelte sich in den Torbögen der kleinen Läden und Restaurants und auf den schmiedeeisern umkränzten Balkonen, die aufs Wasser hinausblickten.
Ah, Venedig! Du lehnst dich zurück wie eine schöne Frau in den Armen des Geliebten, bloßarmig und sorgenfrei, das schlagende Herz erfüllt von reinem Licht. Ich wünschte, wir hätten sechzig Mal sechs Stunden geschmiegt an deinen taubenetzten Busen verweilen können! Ein Knabe wandert in einem trockenen Land aus Staub und Knochen, aus ausgebleichten, geborstenen Felsen und im Mahlen des Windes in wasserloser Jahreszeit umher. Die Wehklage der ausgedörrten Erde, die Qual der Knochen und des Staubes und der geborstenen Felsen, an denender heiße
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