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Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Titel: Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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L’Univers am Prince of Wales Crescent (benannt zu Ehren des königlichen Besuchs im Jahre 1874), einer Straße, die sich sanft vom Meer weg- und auf die kargen graubraunen Dünen zuschwang, die über dem Strand brüteten. Es schien kein weiter Weg zu sein, doch in der Hexenkesselhitze von Aden sind alle Wege weit. Wir kamen an einem riesigen Kohlenmagazin vorbei, wo Massen hemdloser Männer, Somalier meist, deren schwarze Oberkörper wie Obsidian glänzten, zum misstönenden Klirren von Tamburinen schwere Säcke mit Kohle hoben. Ab und zu scherte ein Mann aus der Reihe aus, um sich auf den geschwärzten Planken zu wälzen und sich vom Kohlenstaub den Schweiß aufsaugen zu lassen. Was an Staub die Arbeiter oder den Boden nicht bedeckte, hing als beißender Nebel über dem Magazin. Die Szene war höllisch – wie ein Traum vom Fegefeuer –, und sie war wunderschön – die Art, wie der grelle Sonnenschein die wabernde Staubwolke durchbrach und die größeren Partikel von goldenem Licht sprühten und funkelten.
    Neben mir murmelte der Monstrumologe: »Ich glaube mich in der Hölle, also bin ich es auch.« Er tippte sich beim Gehen mit einem Umschlag an den Oberschenkel und blieb dabei im Takt mit den Tamburinspielern, die die Oberschenkelknochen von Kälbern benutzten, um ihre Musik zu machen. Der Umschlag enthielt Fadils Einführungsschreiben an unsere Kontaktperson in Aden. Der Monstrumologe war ganz enthusiastisch geworden, als Fadil den Namen des Mannes erwähnt hatte.
    »Ich hatte ja keine Ahnung, dass er wieder im Jemen ist!«, hatte er ausgerufen. »Ich dachte, er würde Waffen in Äthiopien schmuggeln!«
    »Das ist nicht so gut für ihn gelaufen«, hatte Fadil geantwortet. »Genau genommen war es schrecklich! Er sagt, König Menelik habe ihn reingelegt, sodass ihm nur sechstausend Franc für seine Mühe blieben. Er kehrte in den Jemen zurück – nach Harad für den Kaffee- und Elfenbeinhandel. Allerdings unternimmt er häufig Ausflüge nach Crater, wo er sich im Moment aufhalten dürfte. Falls dem so ist, so bin ich sicher, du wirst ihn im Grand Hotel De L’Univers finden. Er wohnt immer dort, wenn er in der Stadt ist.«
    »Ich hoffe aufrichtig, dass du recht hast, Fadil«, hatte mein Herr erwidert. »Abgesehen davon, dass ich seine Hilfe in einer ziemlich verzweifelten humanitären Lage benötige, würde es mir eine enorme persönliche Befriedigung verschaffen, ihn zu treffen.«
    Das Hotel war ein lang gezogenes, niedriges Gebäude mit steinernen Bogengängen und Innenhöfen und dekorativen Holzgittern an den Fenstern, ein verbreiteter Architekturstil hier und in Indien. Wir gingen ins Innere, wo die Temperatur um unbedeutende zwei oder drei Grad sank. Zu unserer Linken befand sich der Hotelladen, in dem exotische Waren ausgelegt waren, Tierfelle aus Afrika und Asien, Seide aus Bombay, arabische Schwerter und Dolche, sowie auch alltäglicherer Kram wie Ansichtskarten und Schreibwaren, Sonnenhüte für die Tropen und weiße Baumwollanzüge, die inoffizielle Uniform des Kolonisten. Die Eingangshalle selbst war so entworfen, dass sie den Stolz des Eigentümers aufs Empire widerspiegelte, ganz in dunklem Holz und Samt gehalten, aber die Hitze und die Luftfeuchtigkeit hatten das Holz verzogen und rissig werden lassen und Löcher in den Samt gefressen, ein Menetekel kommender Ereignisse.
    »Ich bin gekommen, um Monsieur Arthur Rimbaud zu sprechen«, teilte der Monstrumologe dem Rezeptionisten mit, einem Araber, dessen weißes Hemd den Tag vermutlich frisch gestärkt begonnen hatte, aber inzwischen in der Hitze schlapp gemacht hatte wie die Wüstenblume Königin der Nacht. »Ist er da?«
    »Monsieur Rimbaud logiert bei uns«, bestätigte der Angestellte. »Darf ich ihm melden, wer ihn zu sehen wünscht?«
    »Dr. Pellinore Warthrop. Ich habe ein Einführungsschreiben …«
    Der Angestellte streckte die Hand aus, aber der Doktor gab ihm den Brief nicht. Er bestand darauf, ihn Mr Rimbaud persönlich auszuhändigen. Der Angestellte zuckte mit der Achsel – es war zu heiß, um aus irgendetwas ein Problem zu machen – und übergab uns einem kleinen Jungen, der uns in den Speisesaal auf der anderen Seite des Souvenirladens brachte. Der Raum führte auf eine Terrasse hinaus, die das Meer überblickte; in der Ferne konnte ich Flint Island sehen, einen großen, nackten Felsen, den die Briten während der häufigen Choleraausbrüche als Quarantänestation benutzten.
    Allein an einem Tisch saß ein schlanker Mann

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