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Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Titel: Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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sehr praktisch hier in Aden ist. Sie sollten ihn bei mir lassen.«
    »Bei Ihnen?« Der Doktor dachte darüber nach; ich war schockiert.
    »Ich will mit Ihnen kommen, Sir«, sagte ich.
    »Ich würde davon abraten«, warnte Rimbaud. »Aber was geht es mich an? Tun Sie, was Sie wollen.«
    »Dr. Warthrop …«, setzte ich an. Und endete schwächlich: »Bitte, Sir.«
    »Rimbaud hat recht. Du solltest hierbleiben«, entschied der Doktor. Er nahm mich beiseite und flüsterte: »Das ist schon in Ordnung, Will Henry. Ich dürfte lange vor Sonnenuntergang zurück sein, und hier im Hotel bist du sicherer. Ich weiß nicht, was ich in der Stadt vorfinden werde, und wir wissen immer noch nichts über den endgültigen Verbleib von Rurick und Plešec.«
    »Das ist mir egal! Ich habe geschworen, Sie nie wieder zu verlassen, Dr. Warthrop.«
    »Nun, das wirst du ja auch nicht. Ich verlasse dich . Und Monsieur Rimbauds Angebot, auf dich aufzupassen, ist äußerst großzügig.« Er hob mit dem Zeigefinger mein Kinn an und schaute mir tief in die Augen. »Du bist mich in England holen gekommen, Will Henry. Ich gebe dir mein Wort: Ich werde dich holen kommen.«
    Und mit diesen Worten ging er.

Einunddreißig
    »Hat man dich verlassen?«

    Rimbaud bestellte sich noch einen Absinth. Ich bestellte mir noch ein Ginger Ale. Wir tranken und schwitzten. Es ging kein Lüftchen, die Hitze war intensiv. Dampfer legten am Kai an. Andere legten ab. Die Tamburine der Kohlenarbeiter klimperten schwach in der flimmernden Luft. Der Junge kam an den Tisch und fragte, ob wir etwas zu Mittag essen wollten. Rimbaud bestellte eine Schüssel saltah und noch einen Absinth. Ich sagte, ich sei nicht hungrig. Rimbaud zuckte die Achsel und hielt zwei Finger hoch. Der Junge ging.
    »Du musst essen«, sagte Rimbaud sachlich, seine ersten Worte, seitdem der Doktor gegangen war. »Wenn du in diesem Klima nicht isst – fast so schlimm wie nicht trinken. Gefällt dir Aden?«
    Ich entgegnete, dass ich nicht genug davon gesehen hatte, um mir eine Meinung zu bilden.
    »Ich hasse es«, sagte er. »Ich verachte es. Ich habe es schon immer verachtet. Aden ist ein Felsen, ein fürchterlicher Felsen ohne einen einzigen Grashalm oder einen Tropfen guten Wassers. Die Hälfte der Reservoirs oben in Crater steht leer. Hast du die Reservoirs gesehen?«
    »Reservoirs?«
    »Ja, die Tawila-Tanks oben über Crater, riesige Zisternen zum Auffangen von Wasser – sehr alt, sehr tief, sehr dramatisch. Sie verhindern, dass die Stadt überflutet wird, und wurden um die Zeit König Salomons herum gebaut – jedenfalls heißt es so. Die Briten haben sie ausgegraben, aufpoliert, ein sehr britischesVerhalten, aber sie verhindern immer noch nicht, dass der Ort überflutet wird. Die einheimischen Kinder gehen im Sommer dort oben schwimmen und kommen mit der Cholera wieder herunter. Sie kühlen sich ab, und dann sterben sie.«
    Er sah weg. Das Meer war blauer als seine Augen. Lillys Augen kamen der Farbe des Meers näher, aber ihre waren schöner. Ich fragte mich, warum mir plötzlich Lilly in den Sinn kam.
    »Was gibt es auf Sokotra?«, fragte er.
    Fast wäre ich damit herausgeplatzt: Typhoeus magnificum . Ich nippte an meinem warmen Ginger Ale, um Zeit zu gewinnen, und versuchte hektisch – jedenfalls so hektisch, wie es mir in der grauenhaften Hitze möglich war –, mir eine Antwort einfallen zu lassen. Schließlich sagte ich das Einzige, woran ich mich von des Doktors Vortrag im Hansom erinnern konnte. »Drachenblut.«
    »Drachenblut? Du meinst den Baum?«
    Ich nickte. Das Ginger Ale war schal, aber es war nass und mein Mund sehr trocken. »Dr. Warthrop ist Botaniker.«
    »Ist er?«
    »Ist er.« Ich versuchte entschieden zu klingen.
    »Und wenn er Botaniker ist, was bist dann du?«
    »Ich bin sein … Ich bin Nachwuchsbotaniker.«
    »Bist du?«
    »Bin ich.«
    »Hm. Und ich bin Dichter.«
    Der Junge kehrte mit zwei dampfenden Schüsseln Eintopf und einem Teller Fladenbrot, khamira genannt, zurück, das wir als eine Art essbarer Löffel benutzen konnten, wie Rimbaud erklärte. Ich schaute auf die braune, ölige Oberfläche des saltah und entschuldigte mich; ich hatte keinen Appetit.
    »Entschuldige dich nicht bei mir«, meinte Rimbaud achselzuckend. Mit grimmiger Miene tauchte er in den Eintopf ein. Vielleicht hasste er saltah ebenso, wie er Aden hasste.
    »Wenn Sie es hier hassen, wieso gehen Sie dann nicht weg?«, fragte ich ihn.
    »Wo sollte ich hingehen?«
    »Ich weiß nicht.

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