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Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Titel: Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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unmöglich widerstehen konnten.
    »Ich sollte wirklich gehen«, sagte Conan Doyle, nachdem er meinen erschöpften und unruhigen Herrn mehrere Minuten lang aufgehalten hatte, indem er ihn mit Fragen torpedierte (»Woher wussten Sie, dass ich Golf spiele?«), während er ein oder zwei Schritte hinter ihm trottete, als wir uns durch die Menge stießen und drängelten. »Touie wartet auf mich.«
    »Was ist ein Touie?«, fragte Warthrop.
    »Touie ist meine Frau, Luisa. Sie ist zu Hause mit unserer jüngsten Tochter, Mary Louise, die in diesem Januar zur Welt gekommen ist. Möchten Sie ihr Foto sehen? Sie ist ein schönes Kind, wenn ich das sagen darf.«
    Warthrop blieb abrupt am Fuß der Treppe, die in unser Hotel führte, stehen. »Augenblicklich, Doyle, ist alles, was ich wünsche, eine anständige Tasse Tee und ein ausgedehntes Nickerchen. Vielleicht ein ander …«
    Er erspähte etwas über die Schulter des kleineren Mannes.Er ließ ein schnelles, oberflächliches Lächeln aufblitzen, hakte sich bei Doyle unvermittelt ein und nötigte ihn die Stufen hinauf. »Wenn ich es mir recht überlege, vielleicht wurde unsere Begegnung ja vom Schicksal arrangiert. Wussten Sie, dass ich in meiner Jugend auch Schriftsteller war? Poesie, nicht Prosa, aber Ihr Fall inspiriert mich, Doyle. Ein Mann kann tatsächlich auf zwei Hochzeiten tanzen. Vielleicht sollte ich den Stift wieder zur Hand nehmen und mich an ein paar Versen versuchen …«
    Verwirrt durch die plötzliche Kehrtwende des Monstrumologen blickte ich den Bahnsteig entlang. Neben einer Säule auf halbem Wege standen zwei Männer, der eine groß und breitschultrig mit einem flammend roten Haarschopf. Der andere war kahlköpfig und viel kleiner, so dünn und drahtig, wie sein Begleiter kräftig war. Selbst aus vierzig Yards Entfernung und durch den diesigen grauen Rauch des Bahnhofs schienen die Augen des Rothaarigen mit einem inneren Feuer zu brennen. Ich kannte nur einen einzigen anderen Menschen, dessen Augen so brannten. Es waren die Augen eines Menschen, der von der Einzigartigkeit seines Lebenszwecks verzehrt wurde. Für Pellinore Warthrop war dieser Lebenszweck die Jagd nach Monstern. Für den Mann, dessen Blick mich auf den Stufen bannte wie ein Hammer, der einen Nagel ins Holz treibt, war es die Jagd nach etwas völlig anderem.
    »Was ist los, mein Freund Will?«, murmelte von Helrung. Er legte mir den Arm um die Schulter und schob mich mehr oder weniger die Treppe hoch. »Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.«
    »Kein Gespenst«, antwortete Walker, dessen hohe Stimme vor Bedrängnis trällerte. Auch er hatte den Rothaarigen gesehen, der zu uns zurückschaute. »Diesen großen Burschen mit den leuchtend roten Haaren und seinen glatzköpfigen Kollegen da an der Säule. Um Himmels willen, jetzt nicht hingucken, von Helrung! Dieselben zwei habe ich gestern gesehen. Ich glaube, sie verfolgen uns.«
    * * *
    »Um ehrlich zu sein, ist es mit der Praxis nicht allzu gut gelaufen«, sagte Conan Doyle gerade keuchend zum Monstrumologen, als wir die beiden auf dem Flur des zweiten Stockes einholten. Er rang nach Luft, weil er sich gleichzeitig bemühte, seine Schritte den langen meines Herrn anzupassen. »Aber ich beklage mich nicht. Das gibt mir jede Menge Zeit zum Schreiben. Und ich muss jede Menge schreiben, hab ja einen neuen Mund zu stopfen.«
    Direkt vor der Tür zu unserem Zimmer blieb Warthrop plötzlich stehen. Conan Doyle hatte nicht damit gerechnet; er spazierte dem Doktor geradewegs in den Rücken.
    »Oh! Entschuldigung …«
    Die Hand des Doktors ging nach oben und blieb dort, während seine Fingerspitzen leicht auf die Luft eintrommelten. Ich hatte diese Gebärde schon früher gesehen und reagierte automatisch, indem ich schnell an seine Seite trat.
    »Von Helrung«, flüsterte Warthrop. »Sind Sie bewaffnet?«
    »Nein.«
    »Walker?«
    »Nein. Wieso fragen Sie?«
    »Doyle, tragen Sie eine Feuerwaffe bei sich?«
    »Tu ich nicht, Dr. Warthrop.«
    Der Monstrumologe zog seinen Revolver aus der Manteltasche. »Bleib hier bei den andern, Will Henry!«, sagte er zu mir, bevor er die Tür öffnete und hineinging.
    Er war nicht lange weg, nicht mehr als zwei oder drei Minuten, schätzte ich, als er rief, wir sollten hereinkommen.
    »Mach die Tür zu, Will Henry, und schieb den Riegel vor!«, wies er mich von der anderen Seite des Zimmers aus an. Er hatte mir den Rücken zugekehrt. Er kauerte neben etwas auf dem Boden, den Revolver locker an der Seite,

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