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Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Titel: Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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die Schultern leicht gebeugt. Ich erinnere mich lebhaft daran, wie müde er aussah – und vorzeitig gealtert.
    Und vor ihm lag der reglose Körper von Jacob Torrance.
    »Mein Gott!« , flüsterte von Helrung. »Pellinore, ist er …«
    »Tot«, verkündete der Doktor.
    Von Helrung stieß eine leise Verwünschung aus. Walker presste die Hand auf den Mund.
    »Machen wir ein wenig Licht«, sagte Warthrop. »Will Henry, würdest du bitte die Vorhänge öffnen? Doyle, Sie sind doch Arzt. Vielleicht wollen Sie sich das einmal ansehen.«
    Conan Doyle gesellte sich zum Doktor neben den Leichnam, indessen ich darum herum zu den Fenstern ging und Jacob Torrances Blut um die Sohlen meiner Schuhe herum hervorquoll und blubberte. Ich würde nicht hinsehen. Ich wollte nicht hinsehen. Ich hatte nicht die Absicht, hinzusehen. Aber natürlich sah ich hin. Ich zog die Vorhänge zurück, drehte mich um und sah mir mit der Wärme der goldenen Nachmittagssonne im Rücken an, was Jacob Torrance widerfahren war.
    »Extrem tief«, sagte Conan Doyle gerade. »Hat die Wirbelsäule eingeschnitten. Dieser arme Mann ist fast dekapitiert worden.«
    Er war von Ohr zu Ohr aufgeschnitten worden, und das Messer – falls es ein Messer gewesen war; vielleicht hatte der Mörder auch eine kleine Axt oder ein Handbeil benutzt – hatte die Halsschlagadern und Drosselvenen durchtrennt – und so den Quell erschaffen, der den Teppich durchtränkt hatte … und seine Kleider … und das linnene Tischtuch einen Fuß weiter weg … und die Rückenlehne des Diwans. Die Damastvorhänge waren vom Sprühnebel seines erlöschenden Herzens gesprenkelt. Das Zimmer stank danach, dem heißen, kupfrigen Geruch frischen Blutes.
    »Der Körper ist noch warm«, gab Conan Doyle mit nicht geringer Besorgnis bekannt. »Er ist noch nicht lange tot; nicht länger als eine Stunde, würde ich sagen.«
    »Beträchtlich weniger«, erwiderte der Monstrumologe. Grimassierend stand er auf. Ich hörte seine Knie knacken, als er sich erhob. Von Helrung hielt sich immer noch in der Nähe derTür auf; Walker lehnte an der Wand neben ihm, ein Taschentuch vor den Mund gepresst, das Gesicht die Farbe von Pergamentpapier. Das Geräusch seines Würgens war sehr laut in dem kleinen Zimmer.
    »Wir müssen die Polizei holen«, sagte er hinter seiner provisorischen Atemmaske hervor. Niemand beachtete ihn.
    Warthrop durchmaß den Raum, indem er sich in einem weiter werdenden Kreis um Torrances Leiche herumbewegte, während seine Augen über den mit Blut angereicherten Boden, die blutbespritzten Wände, die Möbel, die Fenster und die Fensterbänke schweiften. An einer Stelle, etwa fünf Fuß von der Leiche entfernt, ließ er sich auf Hände und Knie sinken, kroch über den Boden und schnupperte und schnüffelte wie ein Jagdhund, der Witterung aufgenommen hat.
    »Sie waren zu zweit«, sagte er bei Beendigung seiner Besichtigung. »Einer sehr groß – deutlich über sechs Fuß, Rechtshänder, Zigarrenraucher und rothaarig. Sein Begleiter ist viel kleiner – fünf Fuß sechs oder sieben, in dem Bereich, und bewegt sich mit einem ausgeprägten Hinken – ein Bein, das rechte, ist kürzer als das andere …«
    Conan Doyles Gesicht war eine Studie in Scharlachrot. Er errötete wie ein junges Schwein in den ersten berauschenden Qualen unerwiderter Leidenschaft.
    »Verblüffend. Vollkommen verblüffend«, sagte er heiser.
    »Es ist elementar, Doyle«, entgegnete der Doktor. »Ein Mörder ist wie jeder Künstler. Er kann nicht anders, als etwas von sich in seinem Werk zurückzulassen. Man braucht nur zu wissen, wie man das Werk von demjenigen trennt, der es hervorgebracht hat.«
    »Was ich sagen will, ist, dass ich das ganz außergewöhnliche Gefühl habe …«
    »Ich auch!«, rief Walker von der anderen Seite des Zimmers. »Mir wird gleich schlecht!«
    Conan Doyle fuhr fort, und sein Blick verschleierte sich. »Ein Mann ist brutal ermordet worden; es ist entsetzlich! Unddennoch finde ich mich von einem gleichermaßen entsetzlichen Gefühl der Verwunderung überwältigt … Je nun, es ist, als hätte ich irgendeine mystische Schwelle überschritten und wäre in einer meiner eigenen Geschichten gelandet. Und hier, vor mir, der Mann selbst, derselbe, den ich erschaffen habe, lebendig geworden. Sehet den Mann!«
    »Ja, es gleicht einer Ihrer Geschichten, mit der Ausnahme, dass es nicht eine Ihrer Geschichten ist und eine sehr reale Möglichkeit besteht, dass Sie in Todesgefahr schweben«,

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