Der Montagsmann: Roman (German Edition)
gemacht waren, obwohl sie nicht wusste, woher diese Erkenntnis kam.
Sie erreichte eine Wand und stemmte sich hoch – und hielt sich mit beiden Händen den Kopf, weil sie fürchtete, dass er sonst platzen würde. Oder einfach von ihren Schultern herabfiel.
»Lieber Himmel«, stöhnte sie. »Das ist vielleicht ein Kater!«
Auf einer tieferen Ebene ahnte sie, dass es kein Kater war, sondern etwas Schlimmeres. Doch darüber wollte sie nicht nachdenken, denn wenn sie erst anfing, sich damit auseinander zu setzen, würde ihr aufgehen, dass ihr nicht einfiel, wer sie war.
»Ich muss mir nur etwas Zeit geben«, beschwor sie sich selbst, während sie mit ausgestreckten Händen an der Wand entlang weitertappte, bis ihre Hände gegen den hölzernen Rahmen einer Tür stießen. »Es wird mir gleich wieder einfallen, dann ist alles klar!«
Ihre Finger fanden einen Türknauf, und sie rüttelte daran und versuchte, ihn zu drehen. Es tat sich nichts. Eine dumpfe Gewissheit breitete sich in ihr aus, dass sie schon mal versucht hatte, hier rauszukommen, wo immer sie sich auch befand, doch sie war sicher, dass sie es auch diesmal nicht schaffen würde. Man hatte sie eingesperrt! Aber wer war man? Außerirdische? Natürlich! Was sonst!
Surreale, klaustrophobische Ängste wallten in ihr auf, und sie versuchte gar nicht erst, dem Drang zu widerstehen, ihrer Furcht Luft zu machen.
»Hilfe!«, brüllte sie. »Hört mich hier jemand? Ihr kleinen miesen Aliens, wenn ihr glaubt, ihr könnt mir Implantate ins Hirn bauen, müsst ihr früher aufstehen!«
Die Außerirdischen ließen sich nicht blicken.
Sie zog an dem Türknauf und drehte ihn, diesmal in die andere Richtung. Zu ihrer Überraschung gab er widerstandslos nach, und die Tür schwang auf.
Sie fand sich in einem Gang wieder, der mit schmutzigen Holzbohlen ausgelegt war und in dem es sogar das eine oder andere Fenster gab. Das war ein deutlicher Fortschritt. Sie war nicht eingesperrt. Fenster konnte man aufreißen und sich bemerkbar machen. Ein Sondereinsatzkommando würde anrücken und sie aus den Krallen ihrer Entführer befreien.
»Hilfe!«, schrie sie aus voller Kehle. »Hil-fe! Hiiil-feee!«
F abio hob lauschend den Kopf. »War da nicht gerade was?«
Giulio zögerte, aber er hatte die Pistole immer noch in der Hand. »Willst du mich ablenken?«, fragte er auf Italienisch. »Mach lieber dein Testament, das ist sinnvoller!«
»Da hat gerade jemand um Hilfe gerufen.«
»Klar, das war dein Unterbewusstsein.«
Natascha starrte auf die Pistole. »Ich habe es auch gehört.«
»Ich auch«, sagte Harry unaufgefordert. »Obwohl ich wegen der Grippe ziemliche Ohrenschmerzen habe.«
»Ähm, Boss …« Nero hob dezent die Hand. »Also, die Sache ist die: Ich habe auch was gehört. Klang wie eine Frau, die um Hilfe gerufen hat.«
»Ich gehe rasch nachsehen«, sagte Fabio.
Giulios Blick war kälter als Polareis. »Wenn du abhaust, sind deine Leute hier tot.«
»Das habe ich gerade verstanden«, sagte Natascha. »Ich kann ein bisschen Italienisch. Wie gesagt, ich kenne Johnny die Schlange. Und der stammt aus Sizilien. Jedenfalls seine Vorfahren.«
»Das stört mich nicht die Bohne«, sagte Giulio.
Fabio verließ stirnrunzelnd die Küche und ging durch den gefliesten Gang des Wirtschaftstraktes zur Haupttreppe. Wenn ihn nicht alles täuschte, waren die Schreie vorhin von oben gekommen.
»Hallo?«, rief er.
»Hallo!«, kam es schrill zurück. »Hilfe! Ich bin hier! Holt mich hier raus!«
Er raste förmlich die Treppe hoch, immer zwei Stufen auf einmal nehmend.
Isabel van Helsing kam ihm entgegen, unsicher staksend auf ihren hohen Absätzen und so bleich wie der wandelnde Tod. Sie klammerte sich mit beiden Händen am Geländer fest. Ihr Haar war zerrauft, und ihre Augen blutunterlaufen. Sie roch nach Erbrochenem, und ihre Augen waren auf unnatürliche Weise geweitet.
»Mir ist schlecht«, sagte sie.
Er war bestürzt. »Das sehe ich. Was ist los?«
»Ich … ähm, ich weiß nicht.«
»Was ist passiert?«
Sie drückte sich die Hand gegen die Stirn. »Wenn ich das wüsste. Bin ich in einem Irrenhaus oder so was?«
»Das ist Auslegungssache, aber bei objektiver Betrachtung kann ich die Frage verneinen.«
»Dann müssen es Aliens gewesen sein. Sie haben mir Sonden ins Gehirn geschoben und alles ausgelöscht. Eine Gehirnwäsche.«
»Was?«, fragte er konsterniert.
Sie torkelte an ihm vorbei die Treppe runter und dann den Gang entlang. Er folgte ihr hastig, denn sie war so
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