Der Montagsmann: Roman (German Edition)
hervorragend zu sehen, sobald er ihr den Rücken zuwandte. Wenn sie es genau bedachte, sah er von hinten fast so gut aus wie von vorn. »Hier, binde das um«, sagte Natascha. Sie war ihr in die Küche gefolgt und warf ihr eine Schürze zu. »Sonst ist dein schönes neues Outfit gleich am ersten Tag reif für die Tonne.«
Isabel band sich mit zittrigen Fingern die Schürze um.
Eine Perversion? Aber welche? Ein Fetisch? Vielleicht stand er auf …
»Deine Haare«, sagte Fabio.
»Was?«, stieß Isabel hervor.
Er deutete auf ihre Locken. »So kann das nicht bleiben.«
Sie griff sich mit beiden Händen in das zerzauste Geriesel. Sie hatte ihr Haar am frühen Abend gewaschen und sorgfältig frisiert. Sehr sorgfältig sogar. Mit derselben Bedachtsamkeit, mit der sie sich geschminkt hatte, nämlich so, dass man es nicht bemerkte. Das erforderte größtmögliches Geschick, und sie war froh, dass sie die dafür nötige Technik mindestens so gut beherrschte wie das Schwimmen. Wenn sie eines von Fabio hundertprozentig wusste, dann war es die Tatsache, dass er auf natürlichen Look stand. Ihr Gesicht und ihr Haar sahen aus, als käme sie von einer einsamen Insel, auf der es nichts gab außer Sonnenlicht, frischer Luft und Meerwasser. Auf keinen Fall solche Dinge wie Grundierung, Puder, Wimperntusche, Glanzgel oder Haarspray.
»Da fällt mir ein, dass ich noch eine Tönung auftragen muss«, meinte Natascha. »Olaf kommt doch nachher zum Essen. Kriegt ihr die Vorspeise ohne mich hin?«
»Ja, klar«, sagte Fabio. Er zog eine Schublade auf und nahm zwei Kochmützen heraus. »Hier, eine für dich, eine für mich.« Er reichte eine davon Isabel, die sie zweifelnd zwischen den Händen drehte, weil sie auf Anhieb nicht erkennen konnte, wo an dem Ding vorn und hinten war.
»Wer ist Olaf?«, wollte sie wissen, nachdem Natascha mit einem Summen auf den Lippen die Küche verlassen hatte.
»Der Klempner«, antwortete Fabio. Er nahm ihr die Kochmütze aus der Hand und setzte sie ihr auf. »So rum ist sie richtig. Beim nächsten Mal steckst du sie vielleicht mit Spangen fest, dann hält sie noch besser.«
Er schob ein paar Locken unter den Rand der Mütze und berührte dabei ihr Ohr. Isabel zuckte zusammen wie unter einem Stromstoß. Bestürzt schloss sie für einen Moment die Augen.
»Was ist?«, fragte er.
Hatte seine Stimme heiser geklungen, oder bildete sie sich das nur ein?
»Nichts«, sagte sie. Ihre Stimme klang definitiv heiser. Und dass ihr bei seiner Berührung eben heiß geworden war, bildete sie sich ganz bestimmt nicht ein.
»Äh – findest du eigentlich mein Haar schön?« Sie hatte die Frage kaum gestellt, als sie sich dafür auch schon am liebsten selbst in den Hintern getreten hätte. Dämlicher und plumper ging es wohl kaum noch!
»Ja, sehr schön.«
»Schöner als das von Raphaela?« Peng. Noch ein Punkt auf der nach oben offenen Dämlichkeitsskala!
»Na ja … Anders. Ihre sind dunkel, deine hell.«
Na, wenn das keine essenzielle Aussage war!
Isabel straffte sich. »Ich will es mal umformulieren.« Diesmal klang es weder dämlich noch plump, sondern kühl und intellektuell. »Du hast nicht zufällig eine besondere Affinität zu Haaren, oder?« Darüber durfte dieser angebliche Super-Latin-Lover erst mal nachdenken! Vorausgesetzt, er wusste überhaupt, dass Affinität nichts mit Affen zu tun hatte.
Doch zu ihrer Verblüffung erwiderte er ihren Blick völlig ungerührt. »Haare sind eine feine Sache. Ich mag sie tatsächlich. Sehr sogar. Besonders an schönen Frauen. Aber nicht in meinem Essen.«
Damit war immer noch nicht klar, ob er vielleicht ein Haarfetischist war. Aber auf jeden Fall mochte er ihr Haar.
Isabel beobachtete ihn aus den Augenwinkeln. Natürlich könnte sie jetzt ihre Ermittlung fortsetzen, es bot sich förmlich an, da außer ihnen beiden niemand in der Restaurantküche war. Sie könnte fragetaktisch nahtlos von den Haaren zu Lack, Leder und Latex übergehen und von dort aus vielleicht sogar zu SM .
Doch etwas hielt sie davon ab, wahrscheinlich der grimmige Ausdruck, der in seinen Augen stand. Tapfer sagte sie sich, dass es sowieso keine Rolle spielte. Was immer Raphaelas Grund gewesen war, abzuhauen, es war nicht derselbe gewesen, den sie gehabt hatte. Bei ihr hatte es nicht am Sex gelegen, also konnte es nichts allzu Perverses sein.
Oder es war doch pervers, aber es gefiel ihr!
Isabel blieb keine Zeit, über diese schockierende letzte Möglichkeit genauer nachzudenken, denn Fabio
Weitere Kostenlose Bücher