Der Montagsmann: Roman (German Edition)
knallte einen Korb vor sie auf die Anrichte.
»Hier, wenn du willst, kannst du damit anfangen, das ist nicht so schwierig.«
»Sprach der Meisterkoch«, murmelte Isabel. Sie betrachtete das Gemüse in dem Korb. Zwiebeln, Karotten und Sellerie.
»Soll ich das alles schälen?«
Er grinste. »Nein, von jeder Sorte nur ein Stück. Schälen und würfeln.« Er nahm zwei Beutel mit Fleisch aus dem Kühlschrank und legte sie neben den Korb. »Das hier kannst du auch klein schneiden.«
Isabel wog die Beutel in der Hand. »Ziemlich wenig, finde ich. Meinst du, es wird für alle reichen?«
»Es ist nur für eine Füllung.«
»Was soll denn damit gefüllt werden?«
Aus einem der Vorratsschränke holte er einen weiteren Korb, der randvoll mit Oliven war. »Das hier.«
Isabel kam es so vor, als müssten sich mindestens tausend Oliven in dem Korb befinden, doch wahrscheinlich waren es eher hundert.
»Das sind ganz schön viele«, sagte sie.
»Nicht, wenn wir sie nachher essen. Dann sind sie ruckzuck weg.«
»Was soll ich damit machen?«
Er zeigte es ihr. »Hier, du nimmst eine und entkernst sie, indem du sie vom Stiel ausgehend spiralförmig aufschneidest. Den Stein nimmst du vorsichtig heraus.« Er demonstrierte es ihr an einer Olive. »Aber zuerst bereitest du die Füllung vor. Du schneidest das Gemüse und das Fleisch klein, brätst alles in Öl an und lässt es zehn Minuten lang schmoren. Danach wird es püriert und anschließend mit einem Ei, Parmesan und Gewürzen verrührt. Danach füllst du mit der Farce die entkernten Oliven, schließt sie wieder, wendest sie in Mehl, dann in verquirltem Ei und zuletzt in Semmelbröseln. Zum Schluss werden sie in Olivenöl goldbraun frittiert. Alles ganz einfach.«
»Ganz einfach«, wiederholte Isabel, die nichts davon behalten hatte außer einzelnen Wörtern wie Parmesan und frittieren . »Gut. Sag mir nur, was ich zuerst machen soll, dann sehen wir weiter.«
»Alles klar. Schäl die Möhrchen und schneid sie klein.« Er grinste sie an, und ihr Herz tat einen kleinen Hüpfer, weil wieder das Grübchen in seiner Wange erschienen war. Er hatte nur das eine, dicht neben dem Mundwinkel. In seiner anderen Wange war keines, was dieses Grübchenlächeln auf besondere Weise einzigartig aussehen ließ. Mit einem Mal hatte sie eine – wenn auch noch nebulöse – Vorstellung davon, wieso sie seinetwegen ihr ganzes Leben über den Haufen geworfen hatte.
»Ist das die Vorspeise?«, erkundigte sie sich atemlos.
»Nein, nur ein bisschen Fingerfood für den Anfang. Eine kleine Vorspeise vor der eigentlichen Vorspeise.«
»Also eine Art Amuse-gueule«, sagte sie, glücklich, weil ihr das Wort in den Sinn gekommen war, ohne dass sie erst darüber nachdenken musste.
»Genau.« Er sah ihr in die Augen. »Die Oliven sind sehr lecker, deshalb mache ich immer ein paar mehr davon. Man kann sie auch kalt zum Bier essen.«
»Trinkst du Bier? Ich dachte immer, alle Italiener trinken Rotwein.«
Fabio lachte. Anstelle einer Antwort ging er zu einem der Kühlschränke und holte eine Flasche Bier heraus. Er hielt sie hoch. »Möchtest du auch ein Glas?«
»Trinke ich denn Bier?«, fragte Isabel irritiert.
»Wenn du mich schon so fragst: Ich habe dich noch keines trinken sehen. Aber ich finde, du solltest es nicht so machen wie bei den Tomaten. Geh unvoreingenommen ran. Gib dem Bier eine Chance.«
»Ich versuch’s«, sagte sie. Ihr war nicht ganz klar, ob sie es deswegen tat, weil sie sich so zittrig in seiner Gegenwart fühlte und deswegen unbedingt eine Ablenkung brauchte, oder ob sie wirklich einfach mal von dem Bier probieren wollte. Sie war ziemlich sicher, noch nie Bier getrunken zu haben, aber der Gedanke daran war nicht negativ besetzt. Fabio hatte Recht: Es war anders als bei den Tomaten. Wahrscheinlich hatte sie deswegen keine Erfahrung mit Bier, weil es in ihrer früheren Welt keinen Platz gehabt hatte, ebenso wenig wie Burger King und Hinz und Kunz. Oder wie Bügeln, Putzen und Gemüse klein schneiden. Sie hatte sich an all diese Dinge herangetraut. Dabei hatte sie zwar nicht durchweg gute Erfahrungen gemacht – das Bügeln war einfach nicht ihr Metier –, aber sie musste zugeben, dass sich neue Horizonte vor ihr aufgetan hatten. Und nur darauf kam es schließlich an. Neue Perspektiven zu gewinnen. Überhaupt irgendetwas dazuzugewinnen, bei diesem Leben, das sozusagen bei null angefangen hatte.
Fabio öffnete die Bierflasche, holte zwei Pilsgläser aus einem Schrank und füllte
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