Der Montagsmann: Roman (German Edition)
wieder zu ihr um. Ihre Augen leuchteten in demselben unwirklichen Grün wie ihr Kostüm. »Stimmt es, was ich außerdem gehört habe? Dass sie ihr Gedächtnis verloren hat?«
Fabio nickte zögernd.
Daphne gab ein ungläubiges, kurzes Lachen von sich und schüttelte den Kopf. »Ich dachte, es wäre ein Witz! Das ist ja … das ist … ein Ding!« Ihre Nasenflügel blähten sich, und in ihre Augen trat ein Anflug von Sensationslust. »Wie ist das denn passiert?«
»Sie ist die Treppe runtergefallen.«
Sie nickte langsam. »Ja, das hat er auch gesagt.«
»Wer?«
»Ach, das spielt doch keine Rolle, ein entfernter Bekannter. Arme Isi!«
In seinen Ohren klang ihr Bedauern so künstlich wie ihre Haarfarbe. Seine Stimme vibrierte vor Wut. »Vermutlich ist sie gestürzt, weil sie mitbekommen hat, wie Sie und dieser Erik … Im Grunde können Sie nur froh sein, dass sie nichts mehr davon weiß!«
»Sekunde mal, bleiben wir doch beim Thema. Sie meinen, sie kann sich an nichts von früher erinnern? An gar nichts? Sie weiß nicht mal, wer sie selber ist?«
»Das sagte ich doch schon. Ich gehe sie jetzt holen.«
»Nein!«, rief Daphne heftig aus. Sie lächelte, als könnte sie diese Gefühlswallung ungeschehen machen, und mit einer gezierten Bewegung strich sie sich das Haar aus der Stirn. »Warum denn so eilig? Wir können doch vorher noch ein bisschen … reden.«
Er musterte sie düster. »Worüber denn?«
»Na ja, der Bekannte, von dem ich gehört habe, dass sie hier wohnt, erzählte mir eine absolut unglaubliche Geschichte. Danach sind Sie wohl mit ihr … zusammen. Stimmt das?«
»Und wenn ja – was wäre dann?«
»Das wäre … wunderbar!« Daphne lächelte, zuerst zögernd und dann so breit, dass jeder ihrer makellosen Backenzähne zu sehen war.
»Was soll das jetzt?«, fragte Fabio gereizt. »Haben Sie es sich anders überlegt? Wollen Sie Erik lieber für sich selbst haben?«
»Ach, wer will denn schon Erik«, sagte sie wegwerfend. Sie blickte ihn groß an. »Es geht mir nur um Isi. Ich möchte, dass sie glücklich ist. Sie war so lange nur schrecklich unglücklich, wissen Sie.«
»Was soll das heißen?«
»Sie war mit ihrem Leben unzufrieden. Sie hat oft zu mir gesagt, sie würde so gern mal was völlig anderes machen, und manchmal sagte sie auch, sie wäre am liebsten eine ganz andere Person.«
Fabio suchte in ihrer Miene nach Anzeichen von Unaufrichtigkeit, konnte aber zu seiner Überraschung keine entdecken.
»Erklären Sie das bitte mal genauer!«
»Ach, sie mochte einfach ihr ganzes Leben nicht. Sie hasste es förmlich und fand es furchtbar öde, das hat sie mir selbst gesagt.«
»Was genau daran?«
»Na, alles. Die ewig gleiche Bussigesellschaft an den ewig gleichen mondänen Orten. Das dauernde Rumhängen und Geld für irgendwelchen Schwachsinn ausgeben, den sie sowieso nicht brauchte oder schon in mehrfacher Ausführung besaß.« Daphne wedelte unbestimmt mit der Hand. »Außerdem hatte sie ständig Pech mit Männern. Andauernd fiel sie mit ihren Typen rein.«
Bezogen auf Erik war das so klar wie nur was, dachte Fabio ergrimmt. Und bezogen auf ihn selbst erst recht. Wenn jemand in der Reihe ihrer Typen ein wirklich herausragender Reinfall war, dann zweifellos er.
»Schauen Sie, wenn Sie mit Ihnen glücklich ist, dann hat sie doch alles, was sie braucht und was sie wollte!« Daphne zog sich rückwärts gehend in Richtung Eingangstür zurück. »Warum soll sie in ihr unnützes, frustrierendes, langweiliges Leben zurückkehren? Vor allem, wenn sie sowieso nichts mehr darüber weiß? Warum kann sie nicht ganz einfach bei dem Mann bleiben, der sie liebt?«
Der Presslufthammer in seinen Ohren fing wieder an zu rattern, und während er stumm stehen blieb und tatenlos zusah, wie sie verschwand, hörte er immer wieder ihre letzten Worte. Der sie liebt. Der sie liebt.
Erst, als sie draußen war, löste sich seine Erstarrung, und er brachte es fertig, ihr zu folgen. Doch sie war bereits wieder in den Wagen gestiegen und hatte den Motor angelassen. Im Vorbeifahren winkte sie ihm fröhlich lächelnd zu.
Er schaute ihr hinterher und fragte sich, wie hirnlos er sich noch aufführen musste, bis irgendwer auf die Idee kam, ihm ganz fürchterlich in den Hintern zu treten.
D ieser Gedanke hatte kaum Gestalt angenommen, als ein weiterer Wagen in die Einfahrt bog. Es war ein Wagen aus Giulios Fuhrpark, aber nicht sein Cousin fuhr ihn, sondern seine rechte Hand Nero. Von Giulio war nichts zu
Weitere Kostenlose Bücher