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Der Montagsmann: Roman (German Edition)

Der Montagsmann: Roman (German Edition)

Titel: Der Montagsmann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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lang nichts anderes getan hätte, wie verwachsen mit dem Schemel, den Rücken durchgedrückt und doch lässig genug in ihrer Haltung, um den Eindruck von Entspanntheit und Mühelosigkeit zu vermitteln. Sie trug ein enges, rotes Kleid und farblich dazu passende Sandaletten, beides günstig in einem Secondhandladen erstanden, wie sie betont hatte. An ihr sah es aus, als hätte sie es gerade eben in der teuersten Boutique an der Fifth Avenue gekauft.
    Das Haar fiel ihr in feinen, glänzenden Wellen über die Wange, wenn sie den Kopf schräg nach vorn neigte, die Augen halb geschlossen und den Blick in eine unbestimmte Ferne gerichtet, und es floss wie Seide über ihre Schultern, wenn sie das Gesicht wieder hob und über den Flügel hinweg ins Publikum schaute.
    Sie spielte lauter Evergreens, typische Klaviermusik für gemütliche Bars, Lieder, die jeder kannte, sei es aus Filmen oder von alten Schallplatten. Fabio, sonst ein absoluter Musikbanause, der sich höchstens für guten, ehrlichen Rock interessierte, hätte jeden Song mitsummen können. Doch das hatte er natürlich nicht getan, denn dann wäre ihm vielleicht ihre Stimme entgangen, die von ebenso klarer, heller Süße war wie alles an ihr.
    Sie sang und spielte gerade As time goes by aus Casablanca, als Harry sich zu ihm neigte und ihn aus seiner Versunkenheit riss. »Du hast rausgefunden, wer sie ist, oder?«
    Fabio zuckte zusammen. Er hatte mit niemandem darüber gesprochen, wo er gestern gewesen war, doch anscheinend hatte Harry seine eigenen Methoden, Dinge zu durchschauen, die ihn nichts angingen.
    »Und wenn es so wäre?«, fragte er zurück, um Zeit zu schinden.
    »Dann würde ich meinen, es ginge klar, dass du es ihr erzählst, Alter.«
    »Keine Sorge, das mach ich schon noch.« Fabio hatte das Gefühl, sich verteidigen zu müssen. »Ich wollte es eigentlich längst getan haben«, setzte er hinzu. »Eigentlich heute schon.« Er hörte selbst, wie dämlich das klang, und frustriert suchte er nach Argumenten, die sein Verhalten weniger egoistisch erscheinen ließen. »Bis jetzt gab es noch keine richtige Gelegenheit«, schloss er lahm.
    Harry hob nur die Brauen.
    »Woher weißt du eigentlich, dass ich es weiß?«, erkundigte Fabio sich.
    »Ich hab dir beim Telefonieren zugehört.«
    »Hat man eigentlich in seinem eigenen Haus kein Privatleben mehr?«
    »Kommt drauf an. Wenn man seine weiblichen Angestellten in der Küche vögelt, wohl eher nicht. Die Küche ist ein Raum, der für alle zugänglich ist.« Harry hob die Hände, als Fabio aufbrausen wollte. »Ich hab nicht zugeschaut, Alter, ehrlich nicht. Aber ihr wart … laut.«
    Natascha kam von der Damentoilette zurück und setzte sich wieder zu ihnen an den Tisch. »Dicke Luft oder was?«
    »Nein, alles im grünen Bereich«, behauptete Fabio.
    »Also, mit anderen Worten, du hast immer noch keinen Plan, wie du es ihr sagen willst, oder?«
    »Wie ich ihr was sagen soll?«
    »Dass du rausgefunden hast, wer sie ist.«
    Fabio spießte Harry mit vorwurfsvollen Blicken auf, doch der grinste nur kläglich. »Sie hat gesagt, dass sie morgen Salz in meine Horsd’œuvres kippt, wenn ich es ihr nicht verrate. Und dass sie Olaf den Schlüssel für den Weinkeller gibt.«
    »Schön zu wissen, wem deine Loyalitäten gehören«, sagte Fabio.
    »Der Kleine konnte noch nie ein Geheimnis für sich behalten«, warf Natascha ein. »Vergiss nicht, dass ich sozusagen Mutterstelle an ihm vertrete.«
    Sich Natascha als Harrys Mutter vorzustellen kam Fabio so absurd vor, dass er fast gelacht hätte. Aber nur fast. Viel lieber hätte er sein Glas genommen und es an die Wand geworfen. Rasch trank er es aus – nicht, weil er vermeiden wollte, in einem Akt sinnloser Zerstörung guten Whisky zu vergeuden, sondern einfach nur, um überhaupt etwas zu tun.
    Er lauschte ein paar Takte in Richtung Klavier. Isabels Stimme war sanft und scheinbar leise, doch sie füllte jeden Winkel des Raums und zog alle Anwesenden in Bann. A Kiss is just a kiss, a sigh is just a sigh … As time goes by …
    Drüben am anderen Ende der Bar hockten ein paar Typen, von denen er einen schon gesehen hatte. Er war Arzt in dem Krankenhaus und hieß Mozart. Der Bursche starrte Isabel mit einer Hingabe an, die keinen Zweifel daran ließ, dass er gern viel mehr wäre als nur ihr behandelnder Arzt. Isabel hatte Fabio von seinem Angebot erzählt, sie in eine beschützende Wohngemeinschaft aufzunehmen. Logisch, dass der gute Doktor sich dabei selbst als

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