Der Montagsmann: Roman (German Edition)
rief sie aus. »Ich muss noch spielen! Mein Auftritt …«
»Der ist für heute beendet.«
»Aber ich habe die Gage schon kassiert! Was glaubst du, wovon ich diese blöde Krankenhausrechnung bezahlen wollte?«
»Ich habe dir doch gesagt, dass ich mich darum kümmere, oder?« An der Tür blieb er kurz stehen und schaute ihr in die Augen. Sie wirkte verstört, verletzt und aufgebracht, und an der Art, wie sie die Augen zusammenkniff, erkannte er, dass sich heftige Kopfschmerzen bei ihr anbahnten. »Du kannst sowieso nicht mehr spielen. Nicht heute. Du musst dich hinlegen.«
»Das kannst du prima, oder?«, stieß sie hervor.
»Was kann ich prima?«
»Mein Leben organisieren! Alles, was mich betrifft, an dich reißen! Alle Entscheidungen für mich treffen! Der Herr braucht eine Bügelhilfe? Voilà, da haben wir doch zufällig gerade jemanden, der das Gedächtnis verloren hat. Wie praktisch! Es fehlt eine Putzhilfe? Hm, wieso nicht die Frau ohne Gedächtnis? Ach ja, und weil es sich gerade so anbietet, kann sie auch das Möhrenschrappen übernehmen!« Sie hielt inne. »Deine eigene miese Möhre inklusive!«
»Ich habe nicht …«, hob Fabio an. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Natascha sich Nero in den Weg stellte, ihm den Inhalt ihres Cocktailglases ins Gesicht schüttete und ihm eine heftige Ohrfeige verpasste.
»Du mieses Schwein!«, schrie sie ihn an. »Was fällt dir ein, meinen Hintern zu begrapschen!«
»Aber ich hab doch gar nicht …«
»Das kann jeder behaupten!«
Nero starrte Natascha an, zuerst entgeistert und dann mordlüstern.
»Wir gehen besser«, sagte Fabio.
Beim Verlassen des Lokals hörte er mit halbem Ohr die erregten Wortfetzen, die zwischen Nero und Natascha hin und her flogen. Ein letzter Blick über die Schulter zeigte ihm den Fortgang des inszenierten Dramas – soweit es überhaupt eine Inszenierung war, statt der letzte Akt einer ohnehin schon lange schwelenden Auseinandersetzung zwischen den beiden. Natascha verpasste Nero noch eine Ohrfeige. Gleichzeitig hielt sie ihn am Ärmel fest, damit er nicht einfach verschwinden konnte. Oder besser: damit er Fabio nicht nach draußen folgen konnte.
»Was soll das eigentlich?«, rief Isabel. Sie stemmte sich gegen seinen Griff und versuchte, sich loszumachen. »Willst du vor der Wahrheit weglaufen und mich gleich mitnehmen, oder was?«
Ja, dachte er. Ja, das würde ich gerne!
»Nein«, sagte er. »Ich zeige dir die Wahrheit. Oder sagen wir: einen Teil davon.«
I sabel ließ sich weiterziehen. Sie fühlte sich immer noch wie erschlagen von Raphaelas Worten und versuchte fieberhaft, Ordnung in ihre Gedanken zu bringen. Doch alles kreiste um das, was Raphaela ihr vorhin am Klavier mit zuckersüßer Stimme und leutseligem Lächeln mitgeteilt hatte.
»Du spielst wirklich gut, finde ich. Klappt jedenfalls besser als das Bügeln, wie? Ach übrigens, hat Fabio eigentlich schon erwähnt, dass er gar nicht wirklich mit dir verlobt ist?«
»Was meinst du?« Es hatte mehr wie das erschreckte Krächzen eines Papageis geklungen statt nach einer Frage.
»Na ja, in Wahrheit brauchte er wohl ziemlich dringend eine Haushaltshilfe, so kurz vor der Eröffnung. Und da kamst du gerade recht.«
»Du … du lügst!«
»Na ja, wahrscheinlich hatte er auch ein bisschen Druck in der Hose, und du siehst nicht schlecht aus. Sonst hätte er sich bestimmt jemanden gesucht, der besser bügeln kann. Schau doch nicht so entsetzt! Glaubst du mir nicht? Ist aber so. Du musst nur rübergehen und ihn fragen. He, weißt du was? Ich geh jetzt zu ihm und sage ihm, dass er dir endlich reinen Wein einschenken soll. Das fände ich nur fair, nachdem du armes Ding dir wochenlang für ihn die Finger wund geschrubbt hast!«
»Steig ein.« Fabio drängte sie auf den Beifahrersitz seines Wagens und warf die Tür zu. Isabel presste die Finger gegen ihre Schläfen. Die Schmerzen wurden mit jedem Herzschlag schlimmer, und sie ahnte, dass sie wieder keine Tabletten in ihrem Täschchen hatte. Warum nahm sie eigentlich nie die nötigsten Dinge mit? Wie kam es, dass sie zwar stets Puderdose, Lippenstift und Kamm dabeihatte, aber nie solche nützlichen Dinge wie Tabletten, Geld, Handy und Papiere?
Natürlich wusste sie es. Sie hasste große Handtaschen. Sie mochte es nicht, sperrige Gegenstände mit sich herumzuschleppen. Wenn sie nicht selbst fahren musste und auch nicht vorhatte, etwas einzukaufen, ließ sie alles zu Hause und nahm nur ein bisschen Schminkzeug und ihren Schlüssel
Weitere Kostenlose Bücher