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Der Mord an Harriet Krohn (German Edition)

Der Mord an Harriet Krohn (German Edition)

Titel: Der Mord an Harriet Krohn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Zusammenstoß gibt ihm Gewißheit. Dieser laute Knall, der Ruck in seinem Körper. Er muß sich losreißen, muß wieder in sein Gleis kommen, darf keine Fragen stellen, dazu ist es jetzt zu spät, jetzt, wo es geschehen ist. Er muß an die Zukunft denken und nicht bei dem verharren, was gewesen ist. Er steht mit dem Rücken zum Spiegel und trocknet sich ab. Das Handtuch gleitet ziellos über seinen Körper, seine Seele kämpft, er hat das Gefühl, Wasser zu treten, hat Angst, in seiner eigenen Verzweiflung zu ertrinken, in seiner eigenen Angst. Danach zieht er saubere Kleidung an. Knöpft sein Hemd sorgfältig zu, zieht den Gürtel straff, geht wieder zum Spiegel, mustert sich forschend, scheint nach dem Riß zu suchen. Sein Gesicht kommt ihm platt und unbeweglich vor. Wird er sich an den erinnern, der er gewesen ist? Wird er sich an die Mimik erinnern, kann er sie hervorholen, wenn er sie braucht, damit die anderen ihn wiedererkennen, sein Lächeln, sein Lachen, wenn er mal – selten genug – lächelt?
    Er geht zum Schreibtisch und wählt die Nummer von Bjørnar Lind. Er tritt von einem Fuß auf den anderen, platzt förmlich von der guten Nachricht, daß er seine Schulden bezahlen wird. Aber es kommt keine Antwort. Er beißt sich in die Lippe, ruft das Lokalradio an, wo Bjørnar arbeitet, endlich meldet sich eine Frau. Nein, Herr Lind ist verreist, er wird so schnell nicht zurückkehren. Sie nennt ihm eine Mobilnummer, er legt auf und wählt hektisch drauflos. Aber der Teilnehmer meldet sich nicht. Frustriert geht er in die Küche. Er nimmt die Kaffeedose aus dem Schrank, gießt Wasser in die Kaffeemaschine, drückt auf den Knopf, das rote Licht geht an. Danach sitzt er am Küchenfenster und trinkt langsam den Kaffee. Nach der halben Tasse geht er Zucker holen. Es ärgert ihn, daß er Zucker braucht, das ist sonst nicht der Fall. Aber das ist nur eine Bagatelle, denkt er, wird irgend jemand erwähnen, daß mit Charlo offenbar etwas nicht stimmt? Hat er irgendwelche Sorgen, wo er plötzlich Kaffee mit Zucker trinkt? Verstohlen schaut er zum Radio hinüber, möchte es einschalten, zögert aber noch. Weiß nicht, ob er sich traut. Wie werden sie sich ausdrücken? Nein, das kann noch warten, denkt er, vielleicht ist Harriet noch nicht einmal gefunden worden, sie bekommt nicht oft Besuch; und es ist doch noch früh. Er schaut sich in der Küche um. Er wohnt schon lange in diesem Haus, aber auf eine seltsame Weise kommt er sich vor wie ein Gast. Das hier ist Tag Nummer eins, er muß sich aufs neue vertraut machen. Die Gegenstände, die ihn umgeben, die Möbel, die Lampe an der Decke, kommen ihm vertraut vor, aber sie gehören ihm nicht mehr. Er hat das Gefühl, daß irgend jemand seine Taue gekappt hat, und daß er wie ein Schiffbrüchiger durch diesen Raum treibt. Er denkt, ich werde nie wieder nach Hause kommen. Er starrt wachsam hinaus auf die Straße. In diesem Moment kommt ein Auto, ein großes, dunkles Auto, es sieht aus wie ein Volvo. Er schaut hinter dem Auto her, seine Hand klammert sich an die Kaffeetasse. Er fragt sich, warum es so langsam fährt, es scheint etwas zu suchen, ihn, vielleicht, für einen Moment krampft sich in seiner Brust alles zusammen. Der Wagen gehört keinem der Nachbarn, er kennt alle Autos in der Straße. Erlandson fährt einen Opel und Gram von gegenüber einen Mazda. Jetzt hält der Wagen an, sein Herz hämmert. Suchen sie ihn denn schon? Im Auto wird Licht gemacht, ein Mann blättert in etwas, einem Stadtplan vielleicht oder einem Buch. Charlo starrt ihn aus brennenden Augen an. Er erhebt sich und geht hinaus auf den Gang. Greift zu einer alten Daunenjacke. Bückt sich und schnürt seine Stiefel zu, schaut einige Male verstohlen zur Tür hinüber. Holt die Tüte mit den blutigen Kleidungsstücken aus der Abstellkammer. Bleibt lange stehen, um sich zu sammeln. Er muß hinaus in die Welt, er muß jetzt ein entspanntes Verhalten an den Tag legen, muß ganz selbstverständlich herumschlendern. Umhergleiten, belanglos und grau, wie er das immer gemacht hat. Er öffnet die Tür einen Spaltbreit. Bringt es nicht über sich, irgendwelchen Nachbarn zu begegnen, aber in der Straße ist alles still. Er geht die wenigen Schritte zum Auto, entdeckt die Beule am Kotflügel. In ihm krampft sich alles zusammen. Mit zitternden Fingern öffnet er die Tür, wirft die Tüte hinein. Ach, was diese Beule ihm für Qualen bereitet! Er legt den Rückwärtsgang ein, schaltet. Er wünscht, er hätte ein anderes

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