Der Mord an Harriet Krohn (German Edition)
setzt sich an den Schreibtisch, greift zum Telefonbuch. Schlägt die gelben Seiten auf und findet eine Tierärztin.
SIE IST SCHMÄCHTIG , ein wenig knabenhaft, mit dichtem Pony und Sommersprossen auf der Nase. Abgewetzte Jeans und Windjacke mit Kordel in der Taille. Sie bewegt beim Reden den Kopf hin und her, ist eifrig und engagiert, die Haare tanzen um ihren Kopf. Sie kommt mit einem Kastenwagen und hebt ihren schweren Koffer heraus, geht vor ihm her in den Stall. Charlo folgt ihr. Auf dem Kofferdeckel liest er folgenden Spruch: A horse is the lady’s best friend.
»Na«, sagt sie und sieht den Fuchs an. »Da haben wir ja einen stattlichen Knaben.« Charlo nickt stolz. Møller ist ganz ihrer Meinung. Er hat die Arme übereinander geschlagen und beobachtet sie mit Adleraugen. Er ist gut vorbereitet, er garantiert für das Pferd, aber jetzt hat die Fachkraft das Sagen, und der muß er sich beugen. Er legt Crazy einen Zaum an und führt ihn in den Gang. Ein hallendes Echo der Hufe ist zu hören, als Crazy den Betonboden betritt. Jetzt wird das Pferd untersucht. Es wird gemustert und bewegt und geimpft. Sie geht alle Gelenke durch, alle Muskelgruppen. Sie überprüft Symmetrie, Ohren, Augen und Maul. Sie kontrolliert die Zähne. Sie betrachtet die Wirbel und findet einen Knick, Møller sagt, er sei damit geboren, das sei nicht pathologisch. Sie führt das Pferd aus dem Stall und läuft mit ihm durch den Schnee, danach muß Møller ihn führen, sie sagt, das Pferd sei rein im Trab. Sie bittet um den Impfpaß, und Møller zieht ihn aus der Tasche. Sie verpaßt dem Pferd eine Wurmkur, stemmt sein großes Maul auf, spritzt die gelbweiße Masse hinein, preßt die Kiefer zusammen und hält sie fest. Sie erkundigt sich nach Fütterung, nach früheren Verletzungen und Krankheiten. Sie läßt sich den Stammbaum vorlegen, der ist hervorragend. Call me Crazy von Perikles aus Adora Z. Geboren und aufgewachsen in einem Stall in den Niederlanden, dann nach Dänemark gebracht und im Jahre 2001 per Schiff nach Norwegen verfrachtet. Verkehrssicher, an Menschenmengen gewöhnt und gehorsam wie ein Kind. Läßt sich bereitwillig in Anhänger hinein- oder aus Anhängern herausführen, ist leicht zu beschlagen. Am Ende lächelt sie strahlend und streichelt seinen Nacken. Flüstert Charlo zu: »Was müssen Sie bezahlen?«
»Vierzigtausend.«
Sie lächelt noch strahlender. Sie hat eine große Lücke zwischen den Vorderzähnen.
»Der ist ein Schnäppchen.«
Charlo hat das Geld in der Jackentasche. Blutgeld, dieser Gedanke jagt ihm durch den Kopf, aber das weiß ja niemand. Niemand weiß, niemand hat ihn gesehen, es war dunkel am Abend des 7. November, und die Leute waren zu Hause geblieben. Er gibt der Tierärztin siebenhundert Kronen, dankt für die Hilfe und begleitet Møller in sein über den Stallungen gelegenes Büro. Dort ist es dunkel und warm und es liegt unter dem Dach, ein ganz besonderer Geruch von Pferd und gebeiztem Holz. Der Vertrag wird unterschrieben, es ist ein feierlicher Moment. Charlo ist aufgeregt wie ein Kind. Er setzt sich in einen freien Sessel, sieht zu, wie Møller einen dicken Papierstapel hervorholt. Es gibt zwei frühere Besitzer, er reicht Charlo die ganzen Unterlagen, der liest. Er holt das Geld aus der Brieftasche, bittet Møller nachzuzählen, und der tut das, er zählt, während Charlo liest. Und während er dort in dem warmen Büro sitzt und sich umschaut, während er Pokale und Schärpen und Bilder von Pferden ansieht, kommt ihm ein Gedanke. Verstohlen mustert er Møller, der gerade den Kaufvertrag ausstellt. Soll er den Versuch wagen? Es kann ja nichts schaden, mehr als nein kann der andere nicht sagen.
»Hier ist nicht zufällig irgendein Arbeitsplatz frei?« fragt er und bereut das sofort, denn Møller schaut ihn überrascht an. Charlo kommt sich plötzlich vor wie ein Bettler.
»Naja«, sagt Møller nachdenklich, »ich habe diesen Laden jetzt schon viele Jahre ohne besondere Hilfe geführt. Ein Arbeitsplatz also«, er legt eine Pause ein, »ich weiß nicht recht, keine volle Stelle jedenfalls.«
»Aber vielleicht eine halbe?« fragt Charlo. Er lächelt, will den leichten Tonfall beibehalten.
»Naja, es kommt schon vor, daß ich mir eine Art Mann für alles wünsche«, gibt Møller zu. »Zwanzig Pferde machen ganz schön viel Mist. Und es gibt allerlei Arbeit in der Reithalle, Reparaturen und so. Sind Sie geschickt?« Charlo nickt eifrig.
»Ich hab den Führerschein Klasse 2«, fügt er hinzu.
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