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Der Mord an Harriet Krohn (German Edition)

Der Mord an Harriet Krohn (German Edition)

Titel: Der Mord an Harriet Krohn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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tonlos. Aber dann, plötzlich: »Was hast du mit deinem Kinn gemacht?«
    Er legt einen Finger über die Schramme. Zuckt beschämt mit den Schultern.
    »Ach«, sagt er dann leichthin, »nur ein kleiner Unfall. Nicht der Rede wert.«
    Sie erhebt sich und macht einige Schritte, kommt näher an ihn heran. Ihr Blick ist so direkt, daß es brennt.
    »Was willst du hier?«
    Er versucht es mit einem Lächeln, ist aufgeregt und will erklären.
    »Hast du getrunken?« fragt sie. »Hast du die Schramme daher?«
    Er schüttelt heftig den Kopf.
    »Mach dir keine Sorgen um mich«, sagt er und sieht sie an, er spürt, daß sein Herz anschwillt, denn sie ist so schön, wie sie dasteht, mit ihren grünen Augen.
    »Ich trinke nicht. Mit all dem bin ich fertig.«
    Sie glaubt ihm nicht, sie schaut ihn skeptisch an, ihre Augen sind noch immer zusammengekniffen.
    »Du«, sagt er, »erzähl mir, wie es dir geht. Kommst du in der Schule gut zurecht?«
    Sie schaut aus dem Fenster, auf die Dächer der Stadt. Sie hat ihr Kinn vorgeschoben, das hat er so oft gesehen. In ihm kommt jetzt soviel hoch, der Mund, den hat sie von Inga Lill, breit und mit vollen Lippen, die schmalen Schultern, der lange Hals. Daß sie ihm gehört, daß sie zusammensein müßten.
    »Du kommst wirklich her, nach allem, was passiert ist, und willst das wissen? Wie es in der Schule läuft?«
    In ihm krampft sich alles zusammen. Ihr Tonfall gefällt ihm nicht.
    »Du mußt meine Unbeholfenheit entschuldigen«, sagt er. »Ich bin nicht besonders geschickt. Aber ich habe ein Anliegen, ich komme nicht mit leeren Händen.«
    Unwillkürlich schaut sie seine Hände an.
    »Doch, es geht gut. Ich habe vor, mich für Tiermedizin zu bewerben.«
    Ihre Stimme klingt trotzig und stolz zugleich. Charlos Wangen werden warm. Da steht meine Tochter, die Tierärztin, denkt er. Mir ist dieses kluge, schöne Mädchen geschenkt worden, das mich vielleicht in Gnaden wieder aufnehmen wird. Sie muß mich in Gnaden wieder aufnehmen!
    »Aber«, sagt er und spürt, wie das Geheimnis ihn bedrängt, »was machst du denn in deiner Freizeit? Hast du Zeit für anderes außer der Schularbeit?«
    Sie zieht einen Schmollmund und spielt an ihren Nägeln herum, die sind kurz und unlackiert.
    »Naja«, sagt sie endlich widerwillig, »ich lese ziemlich viel. Gehe ab und zu ins Kino, mit Freunden, wir sind eine große Clique.«
    Er beugt sich vor, will ihren Blick einfangen, will sehen, wie ihre Pupillen groß und schwarz werden, wenn er ihr alles erzählt.
    »Ein bißchen Freizeit hast du also?«
    Sie begreift nicht, worauf er hinauswill. Sie mißt ihn mit Blicken und ist defensiv.
    »Ja«, sagt sie unsicher. »Das schon.«
    Ihre Stimme ist nicht mehr abweisend, aber sie ist nicht so weich wie dann, wenn sie froh und ganz nah bei ihm ist.
    »Wie sieht es mit deiner Kraft aus«, fragt er. »Hast du die noch?«
    Sie kann ihm nicht folgen, aber jetzt macht sie immerhin mit. Ihr Mund steht halboffen.
    »Du bist so dünn geworden«, sagt er. »Früher warst du kräftiger.«
    »Das liegt daran, daß ich nicht mehr reite«, sagt sie.
    »Aber die Muskelmasse, die wird sich bald einstellen, wenn du wieder anfängst, nicht wahr?«
    Er wühlt in seiner Jackentasche und zittert vor Aufregung. Spürt das Foto zwischen seinen Fingern.
    »Denn dieser Bursche ist stark«, sagt er und hält ihr das Bild hin. Sie steht eine Weile mit verwirrtem Blick da. Dann tritt sie die letzten Schritte vor. Sie nimmt das Bild, sieht es an und schüttelt den Kopf. Versteht nicht, worauf er hinauswill oder was er ihr da erzählt.
    »Wer ist das?« fragt sie und sieht Møllers Tochter an.
    »Das ist die ehemalige Besitzerin«, sagt er. »Aber das Pferd wurde gestern verkauft. Nach einer gründlichen tierärztlichen Untersuchung.«
    Er holt tief Luft und läßt die Bombe hochgehen.
    »Ich kenne auch die neue Besitzerin. Sie heißt Julie Torp.«
    Wieder sieht sie das Bild an, begreift nicht. Noch immer ist ihr Gesicht todernst.
    »Jetzt machst du Witze«, murmelt sie leise. Aber er sieht in ihren Augen ein wachsendes Leuchten. Trotzdem hält sie sich zurück. Sie kennt ihn zu gut.
    »Ich mache keine Witze«, sagt Charlo und hebt die rechte Handfläche, um zu zeigen, daß die rein ist. Dann fällt ihm ein, daß das ja durchaus nicht der Fall ist, und er läßt sie wieder sinken.
    »Aber ich kann ja sehr gut verstehen, daß du Beweise brauchst«, sagt er, greift in die Tasche, zieht den Kaufvertrag hervor, hält ihn ihr hin. Sie nimmt ihn, liest mit

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