Der Mord an Harriet Krohn (German Edition)
dieser Augenblick. Julie steht neben Crazy, umfaßt den großen, schweren Kopf und streichelt behutsam sein Maul. Das Pferd läßt sich streicheln, blinzelt ein wenig, sieht schläfrig aus. Dann muß sie ihn überall anfassen, seine Ohren berühren, die Mähne. Sie streicht über seine Beine, sieht die kräftigen Hufe. Richtet sich wieder auf und schaut dem Pferd in die Augen. Ihre Stimme ist weich, als sie fragt:
»Wollen wir ein bißchen laufen, Junge?«
Charlo wird in der Zeit zurückgerissen, zu dem ersten Mal, als sie auf Snowball saß und nicht von ihm wegzubewegen war. Er erinnert sie an damals und sie lächelt strahlend. Er hilft ihr beim Satteln, und zusammen gehen sie hinunter zur Reithalle. Charlo legt eine Decke auf den Pferdehintern. Sie schwingt sich in den Sattel, läßt das Pferd im Schritt gehen und verschwindet dann auf der Längsseite.
»Bis dann, Papa«, sagt sie. »Wir sehen uns in zwei Stunden.«
Charlo ist so ergriffen, daß er stehenbleibt und atemlos hinter ihr herstarrt. Seine Brust könnte vor Freude bersten. Das ist sein Werk. Dafür hat er sich geopfert. Er schüttelt überwältigt den Kopf, hält Ausschau nach einem Stuhl. Findet einen, dreht sich eine Zigarette. Zündet sie an, zieht gierig daran. Er läßt Julie nicht aus den Augen. Seine Gedanken schweifen wieder ab. Verdammt, daß die jetzt alle nach einem roten Honda suchen, er braucht das vielleicht nicht so wichtig zu nehmen, aber trotzdem, es ist beunruhigend. Er schlägt die Beine übereinander und friert ein wenig, es ist ziemlich kalt in der Reithalle, und er ist nicht warm genug angezogen. Es macht ihm Sorgen, daß das Knie unter ihm nachgegeben hat. Es ist nicht leicht, zur Ruhe zu kommen, nicht leicht, sich auf das zu konzentrieren, was vor seinen Augen passiert. Glücklich sein, jetzt, zufrieden, er hat doch sein Ziel erreicht. Das Pferd geht mit ruhigen Schritten mit langem Nacken und schlaffen Zügel dahin. So werde ich viele Jahre hier sitzen und Julie und Crazy anstarren. Mehr brauche ich nicht im Leben. Wenn ich nur in Ruhe gelassen werde. Habe ich das nicht verdient? Ich bin so weit gegangen und habe soviel geopfert. Er friert noch immer, bewegt seine Füße einige Male im Kreis, sieht, daß Julie auf ihn zukommt. Sie nimmt die Decke vom Pferderücken und reicht sie ihm.
»Hier, du armer frierender alter Mann«, sagt sie und lacht. Sie fühlt sich so wohl, sie leuchtet wie eine Lampe, ihre Haare haben genau die gleiche Farbe wie das Pferd, sie sind ein Paar. Charlo wickelt sich in die Decke, Julie läßt Crazy traben. Ja, denkt er, das ist meine Tochter. Sie reitet auf ihrem eigenen Pferd. Er ist groß, na wenn schon, aber richtig gebaut, um das mal so zu sagen. Sie interessiert sich am meisten für Dressur, darin ist sie sogar ziemlich gut, ich gehe davon aus, daß sie sich bemerkbar machen wird, jetzt, wo sie ihr eigenes Pferd hat. Aber sie springt auch, ein Meter zwanzig, ziemlich gut für eine Sechzehnjährige. Es ist ein Holsteiner. Ich hatte immer schon eine Schwäche für Füchse. Das kann ich mit Sicherheit sagen, daß die beiden dort sich bemerkbar machen werden.
Møller betritt die Reithalle. Er bleibt stehen, stemmt die Fäuste in die Seiten und nickt Charlo anerkennend zu.
»Na«, sagt er. »Die sind ja ein schönes Paar. Geht alles gut?«
Charlo nickt. »Ich glaube, sie sind auf einer Wellenlänge. Du, das ging schnell. Das Pferd tut, was sie sagt, das steht fest. Er macht tolle Passaden. Wirklich überaus präzise, wenn man seine Größe bedenkt, der Junge hat ja auch lange Beine. Das sieht wirklich vielversprechend aus.«
Er legt eine Pause ein.
»Und haben Sie jetzt Arbeit für mich?«
»Das habe ich tatsächlich«, sagt Møller und versetzt den Sägespänen einen Tritt.
»Jetzt, wo ich plötzlich einen Mann zur Hand habe, steht so allerlei auf dem Programm. Ich habe neue Krippen gekauft, die angebracht werden müssen, und die Fenster in den Ställen müssen besser isoliert werden. Im Winter friert hier oft das Wasser, und dann müssen wir es eimerweise holen. Im Sommer würde ich gern so allerlei anstreichen, unter anderem den Zaun draußen um die Reitbahn, und die Ställe. Vielleicht auch die Garagen, die sind so trocken, vor allem auf der Westseite.«
Charlo nickt eifrig.
»Dann fangen wir doch einfach an«, sagt Møller. »Dann sehen wir ja, wieviele Stunden wir brauchen. Ich kann noch nichts über den Lohn sagen, aber wir werden uns sicher einigen.« Er bleibt einen Moment stehen
Weitere Kostenlose Bücher