Der Mord an Harriet Krohn (German Edition)
»Das ist eine Krankheit.«
Wieder nickt sie, will diese Ernsthaftigkeit verlassen, sieht ihn an, lächelt vorsichtig. »Aber was, wenn du einen Rückfall hast?«
Er schüttelt energisch den Kopf.
»Das wird nicht passieren. Da bin ich ganz sicher.«
»Aber wie kannst du so sicher sein?« fragt sie und will weitere Beteuerungen, größere Sicherheit.
»Ich bin an einem anderen Ort angekommen«, sagt er. »Und jetzt blicke ich nicht mehr zurück.«
Seine große Angst ist, daß die Pferde in Panik geraten können, wenn er den Bohrer anmacht. Er schaut sich fragend zwischen den großen Tieren um, denkt an diese Masse aus Knochen und Muskeln und an alles, was passieren kann. Die dünnen, brüchigen Beine.
»Leg einfach los«, sagt Møller. »Manchmal bäumen sie sich auf und so, und machen ein ziemliches Chaos. Aber ich kann sie dafür nicht extra aus dem Stall holen, Torp, wir müssen eben alles so nehmen, wie es kommt.«
Sein Herz schlägt ihm bis zum Hals. Er hat die Stelle markiert, wo die Krippe angebracht werden soll, die alte ist schon entfernt worden. Er sagt nichts über die Farbe. Es ist still im Stall, er hört nur seinen Atem und sein klopfendes Herz. Dann schaltet er den Bohrer ein. Der lärmt erst richtig los, als er ihn an die Wand hält, dann dröhnt er durch das ganze Gebäude. Die Pferde lauschen mit spitzen Ohren. Nichts geschieht. Er unterbricht seine Arbeit, macht eine Pause, starrt durch den Gang. Da steht Møller breitbeinig und nickt, zum Zeichen, daß er weitermachen kann.
»Sie sind ruhig, weil ich hier stehe«, erklärt er. »Ich bleibe hier, bis du fertig bist. Wenn Julie nicht mehr reitet, kannst du die Späne in der Reithalle harken, die sind jetzt in einem üblen Zustand. Der Trecker steht neben dem Schuppen, der Schlüssel steckt.«
Charlo arbeitet weiter, befestigt die vier Krippen. Wie er es sich vorgestellt hat, paßt das knallige Blau überhaupt nicht zur übrigen Inneneinrichtung. Das ärgert ihn, grüne hätten toll ausgesehen. Danach beschließt er, für Julie die Box sauberzumachen, er möchte so gern nützlich sein. Er findet eine Schubkarre und eine Mistgabel, die ist aus Kunststoff und einige Zinken sind abgebrochen, aber er gibt sich Mühe und schafft es. Der Mist ist schwer, Späne fallen durch die Zinken, er arbeitet sich heiß, füllt die Schubkarre, leert sie in die Luke. Geht neue Späne holen, gönnt Crazy zwei Karrenladungen. Danach ist die Box trocken und behaglich. Er geht hinaus, um sich den Trecker anzusehen, es ist ein John Deer. Er steigt hinein und dreht den Zündschlüssel um, kommt sich vor wie ein Junge auf Abenteuerreise. Er geht in die Reithalle, um Julie zuzusehen. Holt sich die gelbe Decke, setzt sich auf einen Stuhl. Will immer so sitzen und den beiden bei der Arbeit zusehen. Inga Lill, denkt er, jetzt ist es gut. Wir haben wieder zueinandergefunden, jetzt werden wir immer zusammensein. Er sieht, daß Julie das Zurücksetzen trainiert. Wieder und wieder macht sie das, rutscht im Sattel zurück, zieht ein wenig an den Zügeln, drückt die Sporen vorsichtig in die Pferdeflanken. Er wird es nie müde, dem zuzusehen.
Ob sie bei ihm essen mag?
Sie nimmt mit einem Lächeln an. Legt eine Decke über Crazy, gibt ihm die Möhren, küßt ihn aufs Maul. Dann bleibt sie vor der Box stehen, kann sich nicht losreißen.
»Aber, aber«, sagt Charlo. »Der ist morgen auch noch hier.«
Sie geht mit ihm zum Auto und sie halten beim Laden, wo Charlo tiefgefrorene Lasagne kauft. Dann fahren sie in die Blomsgate, und Charlo denkt, ich kann es nicht ertragen, allein zu sein. Solange Julie mit mir zusammen ist, vergesse ich alles andere. Alles Schlimme. Ich habe doch wohl auch jemanden verdient. Es gibt schließlich eine Gerechtigkeit im Leben, und ich komme allein nur schwer zurecht.
Sie trampeln sich auf der Fußmatte den Schnee von den Füßen. Julie streift ihre Reitstiefel ab. Charlo kümmert sich um das Essen. Es ist ungewohnt, Julie im Haus zu haben. Sie macht sich im Wohnzimmer zu schaffen, schaut sich die Bilder an der Wand an, stellt sich ans Fenster und schaut hinaus.
»Warum hast du deine Arbeit verloren?« fragt sie plötzlich.
Charlo fällt alles aus der Hand.
»Ich dachte, Mama hätte das erzählt«, sagt er leise.
»Nein. Sie hat dich immer beschützt, trotz allem. Nur, damit du das weißt.«
Er nimmt wieder sein Herz wahr, es pocht wütend unter seinem Hemd. Er muß sich einfach in den Abgrund fallen lassen. Ihr Blick ist forschend, sie ist
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