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Der Mord an Harriet Krohn (German Edition)

Der Mord an Harriet Krohn (German Edition)

Titel: Der Mord an Harriet Krohn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Frei?«
    »Ich schulde keinem mehr Geld, ich spiele nicht mehr. Vor kurzem bin ich an einem Twinrunner vorbeigegangen und hab mein Geld nicht angerührt.«
    »War das hart?« fragt sie scherzend.
    »Ja«, sagt er ernst. »Du hast keine Ahnung davon, aber es war hart, es hat mich viel gekostet. Aber danach war es gut. Ein Sieg über mich selbst.«
    »Wir sind auf dem richtigen Kurs«, stellt sie fest und sieht wieder auf die Straße, ihre grünen Augen leuchten. Er nickt. Würde gern rauchen, aber er will ihr den Geruch ersparen und verzichtet.
    »Und du?« fragt er und sieht sie an. »Wovor fürchtest du dich am allermeisten?«
    Sie schüttelt resigniert den Kopf. »Ich finde, jetzt stellst du blöde Fragen, unter diesen Umständen. Ich habe Angst davor, Crazy zu verlieren. Dort, wo wir jetzt sind, will ich immer sein.«
    Charlo nickt und ist ganz ihrer Meinung.
    »Dann setzen wir darauf«, sagt er zufrieden. Er ist jetzt wieder obenauf, denn wenn Julie neben ihm sitzt, fühlt er sich beschützt, und er kann sich nicht vorstellen, daß etwas Schlimmes passieren und das zerstören kann, es ist schön, das, was sie zusammen haben. Ich bin doch ein mitfühlender Mensch, denkt er, und das, was zwischen uns heranwächst, ist edel. Aber sein Verbrechen ist unvorstellbar, es war ein Irrweg.
    »Was machst du, während ich reite?« fragt Julie.
    »Ich werde Krippen anbringen«, sagt er. »Sie sind blau. Das macht mir ganz schön zu schaffen.«
    Sie lacht ihn aus. »Wieso das denn?«
    »Der Stall ist doch rot, und die Boxentüren sind braun. Die Krippen müßten schwarz sein. Oder grün vielleicht. Das hat mit Ästhetik zu tun. Møller denkt nicht soweit, der kennt sich mit Pferden aus, aber nicht mit Farben.«
    »Sicher hat er das gekauft, was er sich leisten konnte«, sagt Julie altklug. »Ich wette, daß das die billigsten waren.« Charlo seufzt tief. »Ja«, sagt er. »Das Geld regiert. Damit kenne ich mich aus.«
    Es entsteht ein Schweigen, und Charlo kann es nicht füllen. Er konzentriert sich auf das Fahren, hört neben sich Julies Atem, nimmt den Geruch von milder Seife wahr, der das ganze Wageninnere füllt. Es reicht, neben ihr zu sitzen, es tut gut, zwei gegen den Rest der Welt zu sein. Aber er muß immer denken, ehe er redet. Abwägen, was ungefährlich ist. Er versucht, sich an eine Zeit zu erinnern, wo er mit offenem Gesicht sprechen konnte, rasch, ohne zu denken, alles, was ihm gerade einfiel. An die Zeit, ehe er mit dem Spielen angefangen hatte, da war alles leicht zwischen ihm und Inga Lill. Er versucht, sich ein Verhör vorzustellen. Er hat so viele Filme im Fernsehen gesehen. Er glaubt, daß er es schaffen kann, ganz einfach, weil er dazu gezwungen ist und nicht das verlieren will, was er endlich gewonnen hat. Das, was Blut gekostet hat. Zugleich stellt er sich die Mühlen der Justiz vor, sie mahlen unermüdlich, und früher oder später werden sie ihn finden. Aber eben erst später, denkt er, jetzt sitze ich mit Julie hier, sie schweigt auf dem Sitz neben mir, sie freut sich auf die Arbeit. Ich habe ihr das gegeben, was sie sich wünscht. Und das war alles, was ich wollte.
    »Wie war es für dich, als es ganz schlimm war?« fragt er und schaut zu ihr hinüber. »Ich meine, das Spielen.«
    Sie denkt nach, senkt den Kopf.
    »Naja«, sagt sie. »Das war peinlich. Daß du immer vor den Automaten herumgelungert hast. Und daß alle es sehen konnten. Daß ein erwachsener Mann da rumzockt, total besessen. Ich konnte es nicht verstehen. Die Leute aus meiner Klasse haben dich auch gesehen, daß du da Tag für Tag gestanden und Geld reingesteckt hast. Mama hat mich oft losgeschickt, um dich zu holen. Weil du nie aus dem Laden nach Hause gekommen bist. Und wenn du dann endlich kamst, hast du nicht das mitgebracht, was du kaufen solltest. Immer hattest du das meiste Geld verspielt.«
    Er schweigt, läßt ihre Worte sinken.
    »Aber das Schlimmste«, sagt sie dann, »war die Zeit auf Øvrevoll. Die Leute, mit denen du da zusammenwarst. Und meine Ersparnisse. Daß die plötzlich weg waren.«
    Charlo räuspert sich. »Darf ich etwas richtig Dummes sagen?« bittet er.
    Sie gibt keine Antwort, wartet nur.
    »Mein aufrichtiger Wunsch war, dieses Geld zu verdoppeln. Ich hatte an diesem Tag das Gefühl, Glück zu haben, man kann das nicht beschreiben. Die Gewißheit, daß der Gewinn da lag, daß er auf mich wartete. So ist das manchmal. Ich konnte es fast nicht fassen, daß ich verloren hatte, Julie«, sagt er eindringlich.

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