Der Mord des Jahrhunderts - Collins, P: Mord des Jahrhunderts
sich eine Zigarre an und begann einen Monolog.
»Ich hatte den perfektesten Fall, der je für eine Jury ausgearbeitet wurde. Erst heute war Dr. Huebner, ein Mediziner, in meinem Auftrag in dem Cottage in Woodside, um die Badewanne auszumessen. Der Arzt hat festgestellt, dass die Wanne um ein Drittel kürzer ist als der Ermordete – wenn dieser ermordet wurde. Hätte man ihn dort hineingelegt, wäre es nur einem geschulten Anatomen gelungen, den Leichnam zu zerteilen. « Ref 702
Und es kam noch besser: Howe fungierte im Stillen, wie es sich so traf, als Anwalt von – Nelson Weeks . Der in Ungnade gefallene Direktor der Sonntagsschule war des Totschlags angeklagt, und Howe wusste zufällig, dass der Angestellte des Leichenschauhauses Isaac Newton ein Freund der Weeks war. Nicht Newton hatte die Leiche von Aimee Smith sofort nach deren Eintreffen im Leichenschauhaus identifiziert, sondern zwei Detectives, und zwar anhand eines Notizbuches, das die Tote bei sich trug. Die Beamten vermuteten zunächst, dass es gestohlen sei, bis sie die Familie Smith aufsuchten, dort keine Tochter vorfanden und Familienporträts mit der Leiche verglichen. Als Isaac Newton also sagte, er habe Aimee Smith – die tote Geliebte seines geflüchteten Freundes – sogleich identifiziert, wusste Howe, dass der Mann unter Eid log. Und wenn es ihm gelang, Newton zu diskreditieren, dann würde es ihm auch gelingen, sämtliche Sachbeweise zu diskreditieren, die sich in der Obhut des Angestellten befanden, da er so schlau gewesen war, während des Kreuzverhörs aufzuzeigen, dass Newton für die Leichenteile im Fall Thorn unmittelbar verantwortlich war. Ref 703 Ref 704 Ref 705
Morgen hätte er der Anklage mit einem Schlag den Boden unter den Füßen weggezogen – wenn Manny Friend sich nur geduldet hätte .
»Eines verstehe ich nicht.« Howe schüttelte den Kopf und machte eine lange Pause. »Wie kann ein Anwalt seiner Mandantin, gegen die so wenig vorliegt, erlauben, ein Geständnis abzulegen?« Ref 706
»Waren Sie überrascht, als Sie die Nachricht erhielten?«, fragte ein Reporter des Herald .
»Ich habe vermutet, dass sie einen Haufen Lügen erzählen würde, um damit ihren eigenen Kopf zu retten«, antwortete er grimmig.
Die Tür ging auf, und Howes Gehilfe Frank Moss kam hereingeschwankt. Er war ganz außer Atem von seinem nächtlichen Dauerlauf zum Hotel. Er hatte gerade unten in der Seventeenth Street gekegelt, als ihn die Nachricht erreichte. Ein Blick auf die Reporter im Raum sagte ihm alles.
»Nun«, japste Moss, »dann nehme ich an, dass Sie es schon gehört haben.«
»Ja.« Nachdenklich starrte Howe auf seine Zigarre. »Was werden wir nun tun?«
Doch die Frage schien eine bloße Formalität. Während draußen noch die Geräusche der Nacht abebbten, arbeitete der alte Anwalt schon an seinem nächsten Schritt.
Ref 707 Ref 708 Als Howe und seine Mitarbeiter am nächsten Morgen am Gerichtsgebäude eintrafen, herrschte dort noch ein stürmischerer Andrang als tags zuvor: Das Geständnis stand in allen Zeitungen. Die Nachrichtenagenturen hatten es ebenfalls aufgegriffen, sodass an diesem Morgen auch die Menschen in Kalifornien, ja sogar in London mit den Neuigkeiten über Mrs Nack wach wurden. Die Zuschauer drängten, hineingelassen zu werden, und als die Türen endlich aufgestoßen wurden, liefen die Männer los, um sich die besten Plätze oben rechts auf der Galerie zu sichern, während die elegant gekleideten Damen – etwas langsamer aufgrund ihrer langen Röcke – auf die
linke Seite der Galerie strömten. Reporter und Gerichtszeichner waren wie gebannt von diesem »Weibervolk«, das, wie ein Reporter trocken bemerkte, größtenteils »jung… und durchaus ansehnlich« war. Einige hatten Operngläser dabei, und zwei Schönheiten trugen zu diesem besonderen Anlass das gleiche bunt karierte Kleid. Auf ihrer Seite der Galerie standen so viele Hüte in voller Blüte, dass ein Reporter der World sie den »Blumengarten« taufte. Ref 709
Auf der Damenseite wurde getuschelt, dass ein untröstlicher Thorn in der Nacht Selbstmord begangen hatte – ein romantisches Gerücht, das gegenstandslos wurde, als der Friseur hereingeführt wurde. Als Einziger im ganzen Saal hatte nur Martin Thorn die Neuigkeit noch nicht erfahren. Als er am Tisch der Verteidigung Platz nahm, reichte Howe ihm wortlos die World , auf deren Titelseite die Schlagzeile prangte:
MRS NACK GESTEHT MORD Ref 710
Thorn erbleichte und reichte die Zeitung steif
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