Der Mord des Jahrhunderts - Collins, P: Mord des Jahrhunderts
Mitarbeiter eine alte Ausgabe des New York Journal heraussuchen, dann wandte er sich wieder seiner Zeugin zu. »Mrs Nack, als Sie in New York Richter
Newberger vorgeführt wurden, sagten Sie da zu Thorn ›Halt den Mund, schweig still‹?«
»Nein«, antwortete sie. Nun waren es die Reporter, die erstaunt dreinblickten: Sie hatten es damals gehört. »Nichts dergleichen. «
Eine alte Ausgabe des Journal wurde nach vorn gereicht, in der der abgefangene Brief abgedruckt war, den sie Thorn im Gefängnis geschrieben hatte. Howe las ihn laut vor: » Lieber Martin, ich schicke dir ein paar Kartoffeln, wenn du sie nicht essen willst, vielleicht wollen es die andern. Liebes Kind, schreibe mir ein paar Zeilen, wenn du willst… «
Anschließend übergab er ihr die Zeitung.
»Ist das Ihre Handschrift?«
»Ja.«
»Sie nennen ihn ›Liebes Kind‹ und ›Lieber Martin‹. Was meinen Sie damit?«
»Ich habe ihn nie geliebt«, haspelte sie. »Aber ich habe ihm… gezeigt , dass ich ihn liebe. Nachdem er mich gewürgt hat.«
»Sie haben nur vorgegeben , ihn zu lieben?« Howe schnappte irritiert nach Luft. »Ihn nur zum Schein geliebt?«
»Ja.«
»Und dieser Brief war lediglich ein Scheinbrief ?«
»Ja«, beharrte sie, als die Zuschauer im Saal erneut zu lachen begannen.
»Und als Sie im Gefängnis saßen – hatten Sie da weiterhin Angst?«, fragte Howe weiter.
»Nein.«
»Warum haben Sie dann den Brief geschrieben?«
Nack hielt den Blick weiter von Thorn abgewandt, selbst als der nun stumm zu grinsen begann.
»Weil ich dachte, dass er Hunger hat?«, erwiderte sie unsicher.
»Aus Nächstenliebe also?« Howe breitete edelmütig die Arme aus.
»Ja«, pflichtete sie ihm eifrig bei, was die Zuschauer mit einer weiteren Lachsalve bedachten. Howe strahlte mit den Edelsteinen an seinen Fingern um die Wette die Zuschauer an.
»Was also die Kartoffeln betrifft…« Er wirbelte zu seiner Zeugin herum. »… Ist es nicht wahr, dass Sie Guldensuppe erschossen haben?! «
»Nein!«, rief sie und sprang von ihrem Stuhl auf.
» Ist es nicht wahr, dass Sie dann die Leiche in Stücke zerteilt haben? «
»Nein!«
»Hat Ihnen nicht jemand geraten «, donnerte Howe, »dass Sie leugnen sollen, Guldensuppe erschossen und seine Leiche zerstückelt zu haben?«
»Nein.« Mrs Nack lachte ungläubig.
»Lachen Sie nicht, Mrs Nack.« Howe hob drohend den Zeigefinger. »Das ist eine furchtbare Angelegenheit.«
Aber Mrs Nack konnte nicht aufhören zu lachen: Ihre Aussage brach auseinander, und sie wurde hysterisch.
»Antworten Sie mir!«, verlangte er.
»Nein!«, schrie sie.
Howe drückte ihr eine Fotografie von der verstümmelten Leiche ihres Liebhabers in die Hand. Nicht Ihrer Hände Werk? Aber er war noch nicht fertig – er hatte sich mit ihrem Exmann über ihre Tätigkeit als Hebamme unterhalten. Half sie nicht Frauen, Geburten zu … umgehen?
»Wie viele Kinder haben Sie umgebracht?«, krähte er.
»Keins«, schoss sie zurück, zögerte dann aber. »Soweit ich weiß.«
Gab es in ihrer ehemaligen Wohnung keinen Schacht, über den Föten direkt vom Feuerrost in die Kanalisation gekippt wurden? Nein? Und hatte sie auch nicht versucht, jemanden anzuheuern, der ihren Mann umbringen sollte?
»Nein«, entgegnete Mrs Nack mit versteinerter Miene. Howe
kniff die Augen zusammen und trommelte eindrucksvoll mit den Fingern auf einen Tisch.
»Die Angelegenheit ist entschieden zu wichtig, um irgendetwas zu bemänteln, daher werde ich Ihnen nun einige direkte Fragen stellen. Ich möchte, dass Sie gut nachdenken, bevor Sie antworten. Mrs Nack, erinnern Sie sich an eine Wohnung in New York, in der Sie vor dem Mord ganze zwei Wochen lang mit Thorn zusammengelebt haben?« Ref 728
»Mit Thorn zusammengelebt?« Sie tat unwissend.
» Sie haben die Frage verstanden! «, brüllte er. »Antworten Sie.«
»Nein, habe ich nicht.«
»Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf ein Haus in der East Twenty-First Street lenken … Haben Sie Thorn nicht wieder und wieder dort besucht?«
»Das habe ich.«
»Sind Sie dort nicht mehrfach zusammen mit Thorn über Nacht geblieben?«
»Nein, ich war dort lediglich ein paar Stunden.«
»Ja, als er wollte, dass Sie ihm eine Ehefrau waren.«
»Nein, niemals«, erklärte sie prüde. »Ich war ihm niemals eine Ehefrau. Das war auch der Grund, weshalb ich ihn liebte. Er war immer ein Gentleman.«
Howe frohlockte, beflügelt von den immer ungläubiger staunenden Zuschauern. Jetzt liebte sie Thorn also doch und
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