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Der Mord des Jahrhunderts - Collins, P: Mord des Jahrhunderts

Der Mord des Jahrhunderts - Collins, P: Mord des Jahrhunderts

Titel: Der Mord des Jahrhunderts - Collins, P: Mord des Jahrhunderts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Collins
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argwöhnte, dass der Malariaanfall des ersten Richters auf das übel riechende Miasma im Saal zurückzuführen war. Ref 802 Ref 803
    Und dennoch drängten die Massen auf die Galerien, warfen einander beinahe gegenseitig über die Geländer und stritten ebenso leidenschaftlich, wie sie tratschten – dann senkten sie die Stimmen zu einem leisen Murmeln, als die Verdächtigen hereingeführt wurden. Ein schmuck aussehender Herr wirkte in dem ganzen Trubel allerdings ein wenig verloren. Die Ordnungskräfte hatten ihn erst gar nicht einlassen wollen, bis er eine Vorladung aus seinem weichen Kamelhaarmantel hervorzog.
    Herman Nack?
    Die Vorladung hatte er Mr Howe zu verdanken – ebenso, vermuteten die Pressevertreter, wie seine neue Garderobe. Bevor Howe den Bäckereiauslieferer als Rammbock gegen Mrs Nack im Zeugenstand einsetzen wollte, hatte der Anwalt ihm zunächst einen Friseurbesuch und eine Anprobe bei seinem Schneider spendiert. Und hier waren sie nun: Herman, Gussie
und Martin, die einander finstere Blicke von ihren gegenüberliegenden Plätzen zuwarfen, sowie einige Überreste von Willie, die in einem alten Einweckglas schwammen. Die vier Hauptfiguren der Tragödie waren schließlich wieder in einem Raum vereint. Ref 804
    Den Bäckereikutscher verwirrte das alles weiterhin sehr.
    »Einfach nur ein durchgedrehter Friseur«, murmelte Herman einem Reporter zu, während er Thorn taxierte. Dann blickte er zu seiner Frau hinüber, die er zuletzt an dem Morgen gesehen hatte, an dem sie beide verhaftet worden waren. »Sie sieht blass aus«, bemerkte er mit einem Anflug von Sorge, bevor er schnell hinzufügte: »Ich weiß nicht, ob sie mir leid tun soll oder nicht. Sie bedeutet mir nichts mehr.« Ref 805
    Als endlich alle Platz genommen hatten, wurde mit den Zeugen fortgefahren – einem Querschnitt durch die Bevölkerung New Yorks: der Zeitungsjunge, der Thorn an der Fähre erkannt hatte; der Saloonbesitzer, der Gotha und Thorn zusammen gesehen hatte; ein Binokelspieler, der eine Pistole in Thorns Weste bemerkt hatte. Detective Sullivan gab Auskunft über die Kugeln, die in den Wänden des Cottages gesteckt hatten, und ein Schießausbilder vom NYPD gab an, dass deren Kaliber mit Thorns blau vernickelter .32 übereinstimmte. Detective O’Donnell, der ehemalige Klempner, identifizierte ein Fläschchen der faulig riechenden Substanz, die er im Abfluss in Woodside gefunden hatte. Thorn wohnte all dem mit mäßigem Interesse bei, sah gelegentlich Mrs Nack mit zusammengekniffenen Augen an, die seinen Blicken jedoch auswich. Doch der Mann, auf den sie alle warteten, war John Gotha. Ref 806 Ref 807 Ref 808
    Als der große, nervöse Zeuge hereingeführt wurde, lächelte Thorn beim Anblick seines alten Freundes. Gotha hingegen heftete seine Augen fest auf den Boden. Er sah aufgedunsen und müde aus, wie jemand, der zu viel gegessen, aber zu wenig geschlafen hatte. Ref 809 Ref 810

    »Sagen Sie dem Gericht Ihren Namen.«
    »John Gotha.«
    Der Staatsanwalt befragte ihn zu Thorns Liebesverhältnis mit Mrs Nack und dessen Prügelei mit Guldensuppe. Thorn hörte nachsichtig lächelnd zu, als wäre sein unglückseliger Freund wieder einmal verwirrt. Doch Gothas Erinnerungen an Thorns Geständnis klangen nur allzu klar.
    »Ich habe ihn gefragt, ob er den Mord begangen hat, und er stritt es zunächst ab«, erzählte Gotha. »Nach einer Weile sagte er dann, er hätte es getan. Er erzählte mir, wie er gegen halb zehn in das Haus ging und seine Pistole ausprobierte, während er auf Mrs Nack und Guldensuppe wartete. Er sagte, die Waffe funktionierte anfangs nicht, darum gab er ein paar Schüsse ab, um sicherzugehen, dass alles in Ordnung war.« Ref 811
    Seine Aussage ergab nun Sinn. Thorn hatte den ersten Kampf gegen Guldensuppe verloren, weil sein Revolver damals versagt hatte. Die Testschüsse erklärten die beiden Kugeln, die im Lattenwerk des Cottages gefunden worden waren.
    Gothas Aussage ergab auch für Howe Sinn – allerdings auf ganz andere Art.
    »Waren Sie nicht«, begann der Anwalt und erhob sich von seinem Platz, »ein chronischer Trinker?«
    »Nein, Sir«, entgegnete Gotha empört.
    »Wurden Sie nicht in die Entziehungsanstalt in Fort Hamilton eingeliefert?«
    »Nein«, beharrte der Friseur.
    Howe beäugte seine Beute einen langen Moment. Sein golden karierter Schal schimmerte im Licht der Gaslampen.
    »Wie viel Geld «, er sprach die Worte bewusst langsam aus,
    »trugen Sie zum Zeitpunkt von Thorns Verhaftung bei

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