Der Mord zum Sonnntag
sie Alvirah mit. «Morgen helfe ich Ihnen persönlich bei
der weiteren Auswahl.»
«Das ist sehr nett von Ihnen.» Alvirah spielte an ihrer
Rosette und wandte sich Helmut zu. «Ich muß Ihnen
sagen, Baron, daß ich Ihr Inserat noch mal gelesen habe –
Sie wissen schon, das eingerahmte, das in jedem
Bungalow hängt.»
«Ja?»
Elizabeth fragte sich, ob sie es sich bloß einbildete, daß
Helmut plötzlich auf der Hut zu sein schien.
«Also ich muß Ihnen sagen, daß jedes Wort über
Cypress Point stimmt. Sie erinnern sich doch an den
bewußten Satz? ‹Am Ende einer hier verbrachten Woche
fühlen Sie sich frei und sorglos wie ein Schmetterling, der
auf einer Wolke dahinsegelt.»›
«Ja, so was Ähnliches steht in dem Inserat.»
«Aber Sie haben doch den Text geschrieben – haben Sie
mir das denn nicht vorhin erzählt?»
«Ich habe daran mitgewirkt, sagte ich. Wir beschäftigen
eine Werbeagentur.»
«Unsinn, Helmut. Mrs. Meehan stimmt offensichtlich
mit dem Text der Anzeige überein. Ja, Mrs. Meehan, mein
Mann ist überaus kreativ. Den täglichen Rundbrief an die
Gäste verfaßt er selber, und als wir vor zehn Jahren das
Hotel zum Kurzentrum umgebaut haben, konnte er den
vorgelegten Anzeigenentwurf einfach nicht akzeptieren
und hat ihn selber umgeschrieben. Dieses Inserat hat viele
Preise bekommen, deshalb haben wir in sämtlichen
Räumen einen gerahmten Abzug hängen.»
«Bestimmt hat das bedeutende Leute veranlaßt
hierherzukommen», meinte Alvirah. «Wie gern wär ich da
’ne Fliege an der Wand gewesen, um alle zu belauschen
…» Sie strahlte Helmut an. «Oder ein Schmetterling, der
auf einer Wolke dahinsegelt.»
Sie verzehrten die kalorienarme Mousse, als es Elizabeth
dämmerte, wie geschickt Mrs. Meehan die beiden
ausgeholt hatte. Sie hatten ihr Geschichten erzählt, die
Elizabeth nie zuvor gehört hatte, von einem exzentrischen
Millionär, der am Eröffnungstag auf dem Fahrrad
angekommen war, während sein Rolls-Royce ihm in
gebührendem Abstand das Geleit gab; oder von einem
Charterflugzeug, das ein Ölscheich beauftragt hatte, die
wertvollen Juwelen zu holen, die eine seiner vier Frauen
auf einem Tisch am Schwimmbecken liegengelassen hatte.
Als sie aufstehen wollten, stellte Alvirah ihre letzte
Frage: «Welches war der aufregendste Gast, den Sie
jemals hatten?»
Ohne Zögern, ohne einander auch nur anzusehen,
antworteten sie: «Leila LaSalle.»
Aus einem unerklärlichen Grund lief es Elizabeth kalt
über den Rücken.
Elizabeth überging den Kaffee und das anschließende
musikalische Programm und eilte in ihren Bungalow
zurück, um Sammy anzurufen. Als sie sich in ihrem
Zimmer nicht meldete, wählte Elizabeth die Büronummer.
Sammys Stimme klang erregt, drängend: «Elizabeth, ich
bin ja fast in Ohnmacht gefallen, als ich von Min hörte,
daß Sie hier sind. Nein, mir fehlt gar nichts, ich komme
gleich rüber.»
Zehn Minuten später riß Elizabeth die Tür auf und
umarmte diese zerbrechliche Frau, die mit ihr zusammen
Leilas letzte Lebensjahre begleitet und stets
unerschütterliche Loyalität bewiesen hatte.
Als sie sich auf den beiden Sofas gegenübersaßen,
musterten sie sich gegenseitig. Elizabeth stellte
erschrocken fest, wie sehr sich Dora verändert hatte. «Ich
weiß», erklärte diese schief lächelnd, «ein umwerfender
Anblick bin ich nicht gerade.»
«Sie sehen wirklich nicht gut aus, Sammy», entgegnete
Elizabeth.
«Wie geht’s Ihnen denn nun ehrlich?»
Dora zuckte die Achseln. «Ich fühle mich immer noch so
schuldbewußt. Sie waren unterwegs und konnten nicht
mitkriegen, wie Leila sich von Tag zu Tag veränderte. Ich
dagegen konnte es mit eigenen Augen sehen, wenn sie
mich im Krankenhaus besuchte. Irgend etwas machte sie
kaputt, aber sie sprach nicht darüber. Ich hätte mich mit
Ihnen in Verbindung setzen müssen. Ich habe sie
schmählich im Stich gelassen. Und jetzt habe ich das
Gefühl, ergründen zu müssen, was passiert ist. Vorher
finde ich keine Ruhe.»
Elizabeth kamen die Tränen. «Jetzt haben Sie mich doch
tatsächlich zum Weinen gebracht. Das ganze erste Jahr
hatte ich ständig eine dunkle Brille dabei. Ich brauchte sie
als Schutz, weil ich nie wissen konnte, wann sich die
Tränenschleusen öffneten. Meine Trauerausrüstung nannte
ich sie.»
Sie faltete die Hände. «Sagen Sie mir eins, Sammy –
besteht auch nur die entfernte Möglichkeit, daß ich im Fall
Ted unrecht habe? Mit der Zeit habe ich mich nicht geirrt,
und wenn er
Weitere Kostenlose Bücher