Der Mord zum Sonnntag
daß ich jedesmal, wenn Sie mich Teddy nennen,
einen kleinen blonden Jungen vor mir sehe, der früh laufen
und sprechen lernte und nächsten Monat zehn Jahre alt
geworden wäre?»
Teds Augen funkelten. «So, und nun entwerfen Sie das
Konzept für meine Verteidigung. Dafür werden Sie ja
bezahlt. Ich gehe in die Sporthalle. Craig, du hast die
Wahl.»
«Ich komme mit zum Sport.»
Sie machten sich auf den Weg zum Männertrakt. «Um
Himmels willen, wo hast du denn den bloß aufgetrieben?»
wollte Ted wissen.
«Sei nicht so streng, Ted. Er ist immerhin der beste
Strafverteidiger, den wir haben.»
«Nein, das ist er nicht. Und ich sage dir auch, wieso.
Weil er mit einer vorgefaßten Meinung in den Fall
eingestiegen ist und mich zum idealen Angeklagten
umzumodeln versucht. Und das ist fauler Zauber.»
Der Tennisspieler und seine Freundin kamen aus ihrem
Bungalow. Sie begrüßten Ted herzlich. «Hab Sie letztes
Mal in Forest Hills vermißt.»
«Nächstes Mal bestimmt.»
«Wir halten Ihnen alle die Daumen», beteuerte die
Begleiterin, ein Fotomodell, mit geübtem Lächeln.
Ted lächelte zurück. «Sie hätt’ ich gern als Geschworene
…» Er winkte den beiden verbindlich zu und ging weiter.
Das Lächeln verschwand. «Ob sie im Gefängnis wohl
Tennisturniere mit Starbesetzung veranstalten?»
«Das kann dir doch schnuppe sein, dich betrifft’s
sowieso nicht.»
Craig blieb stehen. «Sieh mal, ist das nicht Elizabeth?»
Sie befanden sich fast direkt vor dem Hauptgebäude.
Über die weite Rasenfläche hinweg beobachteten sie, wie
die schlanke Gestalt die Verandatreppe hinunterlief und
den Weg zum Außentor einschlug. Sie war es
unverkennbar – der honigblonde hochgedrehte
Haarschopf, das vorgereckte Kinn, die natürliche Grazie.
Sie betupfte sich die Augen, zog dann eine Sonnenbrille
aus der Tasche und setzte sie auf.
«Ich dachte, sie reist heute früh ab.» Teds Stimme klang
unbeteiligt. «Da stimmt was nicht.»
«Möchtest du’s feststellen?»
«Meine Gegenwart würde sie zweifellos noch mehr aus
der Fassung bringen. Warum heftest du dich nicht an ihre
Fersen? Dich hält sie doch nicht für Leilas Mörder.»
«Ted, hör um Gottes willen endlich damit auf! Ich lege
die Hand für dich ins Feuer, und das weißt du auch, aber
wenn ich zum Prügelknaben werde, beflügelt mich das
nicht gerade.»
Ted zuckte die Achseln. «Ich entschuldige mich. Du hast
ganz recht. Jetzt sieh zu, ob du Elizabeth behilflich sein
kannst. Wir treffen uns dann in etwa einer Stunde bei
mir.»
Craig holte sie am Tor ein. Sie erklärte rasch, was
geschehen war. Es ermutigte sie, wie prompt er reagierte.
«Soll das heißen, daß Sammy vielleicht schon seit Stunden
verschwunden ist und die Polizei noch nicht verständigt
wurde?»
«Das passiert, sobald wir das Gelände durchsucht haben.
Ich dachte, daß ich vielleicht …» Sie schluckte die Tränen
hinunter. «Du erinnerst dich doch, wie sie die erste
Attacke hatte. Sie war völlig desorientiert und danach so
verlegen …»
Craig legte den Arm um sie. «Okay, Kopf hoch! Laß uns
ein bißchen laufen.» Sie überquerten die Straße in
Richtung auf den Weg, der zu der allein stehenden
Zypresse führte. Die Sonne hatte den letzten Morgennebel
aufgelöst. Es war ein strahlender, warmer Tag.
Strandläufer schwirrten über ihre Köpfe dahin, kreisten
und kehrten zu ihren Nistplätzen an der Felsküste zurück.
An der Zypresse, einem beliebten Ausflugsziel, drängten
sich bereits Scharen von Touristen mit gezückten
Kameras.
Elizabeth begann reihum zu fragen: «Wir suchen nach
einer älteren Dame … Sie ist ziemlich klein und vielleicht
krank …»
Craig übernahm ihren Part und gab zunächst eine genaue
Beschreibung von Dora. «Was hatte sie an, Elizabeth?»
«Eine beigefarbene Strickjacke, gleichfarbige
Baumwollbluse, hellbrauner gerader Rock.»
«Hört sich ganz nach meiner Mutter an», bemerkte ein
Tourist im roten Sporthemd und mit geschulterter Kamera.
«Das könnten viele von ihr sagen, sie ist so ein Typ»,
meinte Elizabeth.
Sie klingelten an den Villen, die hinter Sträuchern
versteckt lagen. Hausgehilfinnen, manche mitfühlend,
manche mürrisch, versprachen, «die Augen
offenzuhalten».
Sie gingen zur Pebble Beach Lodge. «An ihren freien
Tagen hat Sammy gelegentlich hier gefrühstückt», erklärte
Elizabeth. Sie klammerte sich an diese Hoffnung, als sie
die Speisesäle absuchte und betete, daß sie die kleine,
aufrechte
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