Der Mord zum Sonnntag
Gestalt irgendwo entdecken möge – daß Sammy
sich dann über den ganzen Aufwand wundern würde.
Doch überall saßen nur Feriengäste, in salopper, teurer
Sportkleidung, zumeist Golfspieler.
Elizabeth wandte sich zum Gehen, doch Craig hielt sie
fest. «Ich wette, du hast noch keinen Bissen gegessen.» Er
winkte dem Kellner.
Beim Kaffee zogen sie das Fazit. «Falls sich bei unserer
Rückkehr herausstellt, daß die Suchaktion ergebnislos
verlaufen ist, müssen wir darauf bestehen, daß die Polizei
zugezogen wird», sagte Craig.
«Ihr ist etwas zugestoßen.»
«Das kannst du nicht so sicher behaupten. Erzähl mir
mal genau, ob sie bei eurem Zusammensein irgendwas
von Weggehen geäußert hat.»
Elizabeth zögerte. Sie war sich nicht recht klar darüber,
ob sie Craig von den anonymen Briefen erzählen sollte.
Andererseits stand für sie fest, daß seine sichtbare
Anteilnahme und Besorgnis einen großen Trost
bedeuteten, daß er notfalls sämtliche dem mächtigen
Konzern Winters Enterprises zu Gebote stehenden Mittel
einsetzen würde, um der Suche nach Sammy Nachdruck
zu verleihen. Sie wählte ihre Worte sorgfältig: «Beim
Abschied sagte Sammy, sie wolle noch eine Weile ins
Büro zurückgehen.»
«Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie aus lauter
Arbeitsüberlastung bis spät in die Nacht Überstunden
machen mußte.»
Elizabeth lächelte leicht: «Keine Rede von spät in der
Nacht. Es war halb zehn.» Um weitere Fragen zu
vermeiden, trank sie rasch den restlichen Kaffee aus.
«Hast du was dagegen, Craig, wenn wir jetzt aufbrechen?
Vielleicht gibt’s inzwischen irgendeine Nachricht.»
Das war allerdings nicht der Fall. Und wenn man den
Zimmermädchen, dem Gärtner und dem Chauffeur
glauben konnte, war das ganze Gelände gründlichst
abgesucht worden. Selbst Helmut war nun einverstanden,
nicht bis mittags zu warten, sondern unverzüglich eine
Vermißtenanzeige bei der Polizei zu erstatten.
«Das reicht nicht», protestierte Elizabeth. «Ich wünsche,
daß Scott Alshorne verständigt wird.»
Sie wartete an Sammys Schreibtisch auf Scott.
«Möchtest du, daß ich bleibe?» erkundigte sich Craig.
«Nein, nicht nötig.»
Sein Blick streifte die Müllsäcke. «Was ist denn das?»
«Leilas Fanpost. Sammy hat sie beantwortet.»
«Fang ja nicht an, die alle lesen zu wollen. Das regt dich
bloß auf.»
Craig spähte in Mins und Helmuts Büro. Die beiden
saßen auf dem Art-déco-Korbsofa, dicht nebeneinander,
und unterhielten sich gedämpft. Er beugte sich über den
Schreibtisch. «Elizabeth, du mußt wissen, daß ich
momentan zwischen zwei Stühlen sitze. Aber wenn das
Ganze vorbei ist, wie’s auch ausgehen mag, dann müssen
wir miteinander reden. Du hast mir schrecklich gefehlt.»
Mit erstaunlicher Behendigkeit war er neben ihr, legte ihr
die Hand aufs Haar, küßte sie auf die Wange. «Ich bin
immer für dich da», raunte er ihr zu. «Sollte Sammy was
zugestoßen sein und du brauchst eine Schulter zum
Anlehnen oder ein offenes Ohr … Du weißt, wo du mich
erreichen kannst.»
Elizabeth ergriff seine Hand und drückte sie einen
Augenblick an ihre Wange. Sie spürte die verläßliche
Kraft, die Wärme, die breiten, stumpfen Finger. Und
dachte plötzlich an Teds langfingrige, wohlgeformten
Hände. Sie ließ Craig los und rückte ein Stück weg. «Paß
ja auf, du bringst mich gleich zum Weinen.» Sie bemühte
sich, unbeschwert zu klingen, die Atmosphäre zu
entspannen.
Craig hatte offenbar verstanden. Er richtete sich auf und
sagte sachlich: «Ich bin in Teds Bungalow, falls du mich
brauchst.»
Das Warten war nahezu unerträglich. Es erinnerte sie an
die Nacht, als sie in Leilas Apartment gesessen und
inständig gehofft hatte, daß Leila und Ted, wieder
versöhnt, miteinander ausgegangen waren, und doch mit
allen Fasern spürte, daß etwas nicht stimmte. An Sammys
Schreibtisch zu sitzen bedeutete Marter.
Sie wollte davonrennen, irgendwohin … und weiter nach
Sammy suchen.
Statt dessen öffnete Elizabeth einen der Postsäcke und
entnahm ihm eine Handvoll Briefe. Sie konnte wenigstens
etwas tun.
Sie konnte nach weiteren anonymen Briefen suchen.
6
Sheriff Scott Alshorne war ein alter Freund von Samuel
Edgers, Mins erstem Mann, der das Cypress Point Hotel
erbaut hatte. Er und Min hatten sich von Anfang an
gemocht, und er konnte mit Genugtuung feststellen, daß
sie die eingegangene Verpflichtung gewissenhaft erfüllte.
Sie gab dem kränklichen, mürrischen Achtzigjährigen in
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