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Der Mord zum Sonnntag

Der Mord zum Sonnntag

Titel: Der Mord zum Sonnntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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jedoch nicht enthalten zu fragen: «Und
wenn du nun nicht weggelaufen, sondern statt dessen in
die Wohnung gegangen wärst? Leila könnte dann noch am
Leben sein. Ted würde sich nicht wegen einer geringeren
Haftstrafe schuldig bekennen, wenn du nicht nur daran
gedacht hättest, deine eigene Haut zu retten.»
«Das glaube ich nicht, Elizabeth. Das alles hat sich in
Sekunden abgespielt.» Er sah sie aus weitaufgerissenen
Augen an. «Aber hast du’s denn nicht gehört? Von
Schuldbekenntnis kann keine Rede mehr sein. Es war in
den Nachrichten. Ein zweiter Augenzeuge hat Ted
gesehen, als er Leila über die Terrassenbrüstung hielt,
bevor er sie fallen ließ. Der Staatsanwalt plädiert auf
lebenslänglich.»
Leila war nicht bei einem Kampf über die Brüstung
gestürzt. Er hatte sie darübergehalten, dann absichtlich
fallen lassen. Daß Leilas Tod um einige Schrecksekunden
verlängert wurde, erschien Elizabeth grausamer als das,
was sie in ihren schlimmsten Angstträumen verfolgt hatte.
Ich sollte froh sein, daß sie die Höchststrafe erwägen,
sagte sie sich. Ich sollte froh über die Gelegenheit sein,
gegen ihn auszusagen.
Sie sehnte sich verzweifelt danach, allein zu sein, rang
sich jedoch noch eine Frage ab: «Hast du Syd in jener
Nacht in der Nähe von Leilas Wohnung gesehen?»
Konnte sie seinem erstaunten Gesicht trauen? «Nein»,
antwortete er entschieden. «War er denn dort?»
Es ist vorbei, sagte sich Elizabeth. Sie rief bei Scott
Alshorne an. Der Sheriff war dienstlich unterwegs. Sie
hinterließ die Bitte um Rückruf. Sie wollte ihm Alvirah
Meehans Recorder nebst Zubehör übergeben und die
nächste Maschine nach New York nehmen. Kein Wunder,
daß sich alle bei Alvirahs unablässigen Fragen so gereizt
anhörten. Die meisten hatten ja etwas zu verbergen.
Die Rosette. Sie wollte sie schon zu den übrigen Sachen
in den Koffer packen, als ihr klar wurde, daß sie die letzte
Kassette nicht abgehört hatte. Ihr fiel ein, daß Alvirah die
Brosche in der Klinik angehabt hatte … Es gelang ihr, die
Kassette aus dem winzigen Behälter zu lösen. Ob Alvirah
trotz ihrer Angst vor den Kollagenspritzen den Recorder
laufen gelassen hatte?
Tatsächlich, die Kassette war bespielt. Sie begann mit
der Unterhaltung zwischen Alvirah und der
Krankenschwester über die beruhigende Wirkung von
Valium. Dann Türklicken, Alvirahs Atemgeräusche,
abermals Türklicken … Die etwas gedämpfte, undeutliche
Stimme des Barons, die Alvirah Mut zusprach; wiederum
Türklicken, Alvirahs Keuchen, ihr Versuch, um Hilfe zu
rufen, ihr Ringen nach Luft, neuerliches Türklicken, die
fröhliche Stimme der Schwester: «Hier sind wir,
Mrs. Meehan. Sind Sie bereit für die Verschönerung?»
Und dann die Schwester in höchster Erregung, am Rande
der Panik: «Mrs. Meehan, was ist denn los? Doktor …»
Nach einer Pause Helmuts Stimme, knappe, barsche
Anweisungen: «Runter mit dem Bademantel!» Der Ruf
nach dem Sauerstoffgerät. Ein hämmerndes Geräusch –
offenbar die Herzmassage; danach verlangte Helmut, alles
für eine intravenöse Injektion vorzubereiten. Das geschah
dann in meiner Gegenwart, dachte Elizabeth. Er hat
versucht, sie zu töten. Was immer er ihr gab, es sollte sie
umbringen. Alvirahs beharrliche Hinweise auf den Satz
vom «Schmetterling, der auf einer Wolke dahinsegelt»,
ihre ständige Wiederholung, daß sie das an etwas erinnere,
ihre Lobsprüche über seine schriftstellerischen Qualitäten
– empfand er das als Katz-und-Maus-Spiel? Hatte er trotz
allem die Hoffnung, irgendwie würde Min nicht die
Wahrheit über das Theaterstück, über ihr Schweizer Konto
erfahren?
Sie spielte das letzte Band immer wieder ab. Da war
etwas, das sie nicht verstand. Was überhörte sie?
Ohne zu wissen, wonach sie eigentlich suchte, las sie die
Notizen noch einmal durch, die sie sich bei Helmuts
Schilderung von Leilas Tod gemacht hatte. Ihr Blick
heftete sich auf einen Satz. Aber das ist doch falsch,
dachte sie.
Es sei denn …
Wie ein erschöpfter Bergsteiger, den nur noch wenige
Zentimeter vom Gipfel trennen, ging sie die Notizen
durch, die sie zu Alvirah Meehans Tonbändern gemacht
hatte.
Und fand die Lösung.
Sie hatte die ganze Zeit auf sie gewartet. Wußte er, wie
nahe sie der Wahrheit gekommen war?
Ja, er wußte es.
Sie erschauerte, wenn sie sich an die scheinbar so
unschuldigen Fragen erinnerte, an ihre verwirrten
Antworten, die für ihn so bedrohlich geklungen haben
mußten.
Hastig

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