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Der Mord zum Sonnntag

Der Mord zum Sonnntag

Titel: Der Mord zum Sonnntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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frischen Kratzwunden übersät.
Er stolperte herein und wäre hingefallen, wenn ihn Scott
nicht rechtzeitig gepackt hätte.
    «Scott, du mußt mir helfen. Jemand muß mir helfen. Das
ist eine Falle, ich schwör’s. Ich hab’s stundenlang
probiert, Scott, und konnte es einfach nicht. Ich konnte
mich nicht dazu bringen.»
    «Ruhig, ganz ruhig.» Scott legte den Arm um Ted und
führte ihn zur Couch. «Du kippst ja gleich um.» Er goß
einen ordentlichen Brandy ein. «Los, trink das.»
    Nach ein paar Schlucken fuhr sich Ted mit der Hand
über das Gesicht, als wolle er die schiere Panik
wegwischen, die er gezeigt hatte. Ein kläglicher Versuch
zu lächeln scheiterte, er war zum Umfallen müde. Er
wirkte jung, verletzlich, keine Spur mehr von dem
souveränen Leiter eines Wirtschaftsimperiums.
Fünfundzwanzig Jahre waren ausgelöscht, und Scott
meinte, den neunjährigen Jungen vor sich zu sehen, mit
dem er immer fischen gegangen war.
    «Hast du heute schon was gegessen?» fragte er.
«Ich kann mich nicht erinnern.»
«Dann trink den Brandy langsam. Ich mach dir ein
    Sandwich und Kaffee.»
Er wartete, bis Ted das Sandwich gegessen hatte, bevor
er begann:
«Na gut, am besten erzählst du mir jetzt mal alles der
Reihe nach.»
«Scott, ich hab keine Ahnung, was eigentlich los ist,
aber eins weiß ich: Ich hätte Leila nicht auf diese Weise
töten können, wie man es mir einzureden versucht. Mir ist
es gleich, wie viele Zeugen auf der Bildfläche erscheinen
– etwas stimmt da nicht.»
Er beugte sich vor, blickte Scott flehend an. «Erinnerst
du dich an Mutters furchtbare Höhenangst, Scott?»
«Dafür hatte sie auch allen Grund. Dein Vater, dieser
Schuft …»
Ted fiel ihm ins Wort. «Es widerte ihn an, als er
bemerkte, daß sich bei mir die gleiche Phobie entwickelte.
Ich war ungefähr acht, als er sie eines Tages auf die
Terrasse des Penthauses kommandierte, von wo sie nach
unten schauen sollte. Sie begann zu weinen und sagte:
‹Komm, Teddy›, und wir wollten hineingehen. Er packte
sie, hob sie hoch und hielt sie über das Geländer. Das war
achtunddreißig Stockwerke hoch. Sie schrie, bettelte. Ich
krallte mich an ihm fest. Er hob sie erst zurück, als sie
ohnmächtig wurde. Dann ließ er sie einfach zu Boden
fallen und sagte zu mir: ‹Wenn ich dir je hier draußen
auch nur die leiseste Angst anmerke, mach ich mit dir
genau dasselbe.›»
Ted schluckte und fuhr mit erstickter Stimme fort:
«Dieser neue Augenzeuge sagt, ich hätte das mit Leila
gemacht. Ich hab heute versucht, die Klippen in Point Sur
runterzuklettern. Ich konnte es nicht! Ich konnte meine
Beine nicht zwingen, bis zum Rand zu gehen.»
«Unter Streß bringen Menschen ganz seltsame Dinge
zuwege.»
«Nein. Nein. Falls ich Leila getötet habe, dann auf
irgendeine andere Weise. Das weiß ich. Zu behaupten, ich
könnte sie, betrunken oder nüchtern, über das Geländer
halten … Syd schwört, ich hätte ihm erzählt, mein Vater
habe Leila von der Terrasse gestoßen; vielleicht kannte er
die alte Geschichte. Vielleicht belügen sie mich alle. Scott,
ich muß mich daran erinnern, was in jener Nacht passiert
ist.»
Mitfühlend betrachtete ihn Scott, nahm die schlaff
herabhängenden Schultern wahr, die unendliche
Müdigkeit, die ihn zeichnete. Er war den ganzen Tag
herumgelaufen, hatte sich zu zwingen versucht, am Rand
einer Felsklippe zu stehen. Er wollte seine Höhenangst mit
allen Mitteln überwinden, um die Wahrheit
herauszufinden. «Hast du das erwähnt, als man dich
wegen Leilas Tod zu verhören begann?»
«Es hätte sich lächerlich angehört.»
Es wurde dunkel. Über Teds Wangen rannen
Schweißperlen. Scott machte Licht. Ted hatte anscheinend
keinen Blick für das behagliche Zimmer mit den vielen
Polstermöbeln, Jeanies handgestickten Kissen, dem
hochlehnigen Schaukelstuhl, dem Bücherregal aus
Kiefernholz. Er saß in einer Falle, die ihm andere mit
ihren Zeugenaussagen gestellt hatten, stand unmittelbar
vor der Verurteilung zu zwanzig bis dreißig Jahren
Gefängnis. Er hat recht, befand Scott. Für ihn gab es nur
die eine Hoffnung, sich in jene Nacht zurückzuversetzen.
«Bist du bereit zu einer Hypnose oder Pentothal?» fragte
er.
«Eins … beides … ist mir gleich.»
Scott rief abermals im Krankenhaus an und verlangte
John Whitley. «Gehen Sie eigentlich nie nach Hause?»
«Gelegentlich schon. Ich bin jetzt gerade im Aufbruch.»
«Daraus wird leider nichts, John. Wir haben noch einen
Notfall.»

10
    Craig und Bartlett

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