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Der Mord zum Sonnntag

Der Mord zum Sonnntag

Titel: Der Mord zum Sonnntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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verlöscht waren, zündete sie die Lampe an und
erhob sich langsam. Es war sinnlos, an all die guten Zeiten
zu denken, die sie und Willy in diesen vierzig Jahren
verbracht hatten, oder an die Prospekte, die sie noch
morgens durchgeblättert hatten, um ihre Wahl zu treffen
zwischen einem Kamelritt durch Indien oder einer BallonSafari in Westafrika.
    Ich hole ihn mir zurück, beschloß sie, wobei sie das
Kinn noch etwas angriffslustiger vorstreckte. Zuallererst
mußte sie sich eine Tasse Tee aufgießen. Als nächstes
sämtliche Kontobücher herausnehmen und die
Reihenfolge festlegen, in der sie eine Bank nach der
anderen aufsuchen und Geld abheben wollte.
    Die Banken lagen über Manhattan und Queens verstreut.
In jeder unterhielten sie ein Konto von jeweils
hunderttausend Dollar und natürlich die anfallenden
Zinsen, die sie Ende des Jahres abhoben und damit ein
neues Konto einrichteten. «Irgendwelche Spekulationen
sind für uns nicht drin», darüber waren sie sich einig. Auf
die Bank. Versichert. Punktum. Als jemand sie zu
überreden versuchte, Wertpapiere mit einer Laufzeit von
zehn bis fünfzehn Jahren zu erwerben, hatte Alvirah
erwidert: «In unserem Alter kommt nichts in Frage, was
sich in zehn Jahren auszahlt.»
    Lächelnd erinnerte sie sich an Willys Einwurf: «Und wir
kaufen auch keine grünen Bananen.»
Alvirah schluckte einen Riesenkloß im Hals herunter, als
sie den Tee trank, und beschloß, am nächsten Morgen in
der 75th Street bei der Chase Manhattan anzufangen, dann
zur Chemical gegenüber zu gehen, die Park Avenue
abzuklappern, von der Citibank an, und dann die Wall
Street.
Sie lag die ganze Nacht über wach und grübelte, ob
Willy auch nichts geschehen war. Ich werde sie dazu
bringen, daß sie mich jeden Abend mit Willy sprechen
lassen, bis ich das Geld zusammenhabe, gelobte sie sich.
Dann können sie ihm auch nichts tun, bis ich irgendwas
ausgeknobelt habe.
Bei Tagesanbruch war sie versucht, die Polizei zu
verständigen. Als sie dann um sieben aufstand, verwarf sie
den Gedanken. Vielleicht hatten diese Leute einen Spion
im Gebäude sitzen, der solche auffälligen Aktivitäten in
der Wohnung melden würde. Sie durfte kein Risiko
eingehen.
    Willy verbrachte die Nacht im Schrank. Sie lockerten die
Stricke soweit, daß er ein wenig Bewegungsfreiheit hatte.
Eine Decke oder ein Kissen gaben sie ihm allerdings nicht,
und sein Kopf lag auf irgendeinem Schuh. Unmöglich, den
wegzuschieben. Der Schrank war viel zu vollgestopft mit
allem möglichen Krempel. Als er irgendwann eindöste,
träumte er, sich an der Außenwand vom Mount Rushmore,
direkt unter dem Antlitz von Teddy Roosevelt, zu
befinden, festgeklammert mit einer steinernen Halskrause.
    Die Banken öffneten erst um neun. Um 8 Uhr 30 hatte
Alvirah in einem Anfall von überschäumender Energie die
bereits blitzsaubere Wohnung geputzt. Im Schrank hatte
sie eine wurstförmige Plastiktasche ausgegraben, das
einzige in Central Park South vorhandene Überbleibsel
aus der Zeit, in der sie und Willy mit dem Greyhound
Ferienreisen in die Catskill Mountains unternahmen.
    Es war ein frischer Oktobermorgen, und Alvirah trug ein
hellgrünes Kostüm, das sie sich während einer ihrer
Schlankheitskuren gekauft hatte. Der Rockbund klaffte,
aber dieses Problem war mit Hilfe einer großen
Sicherheitsnadel zu lösen. Automatisch befestigte sie die
rosettenförmige Anstecknadel mit dem eingebauten
Aufnahmegerät am Revers.
    Immer noch zu früh für den Aufbruch. Alvirah bemühte
sich, an den positiven Gedanken festzuhalten, daß alles in
Butter wäre, sobald das Geld bezahlt war, setzte den
Wasserkessel wieder auf und schaltete die
Morgennachrichten ein.
    Die Schlagzeilen waren diesmal halbwegs zivil. Kein
Mafiaboß vor Gericht. Kein spektakulärer Mordfall. Keine
Verhaftung von Dealern, die gepanschten Stoff
verkauften.
    Alvirah nippte an ihrem Tee und wollte gerade
abschalten, als der Nachrichtensprecher mitteilte, vom
heutigen Tage an könnten die New Yorker das Gerät
benutzen, das die Telefonnummern von Anrufern
aufzeichnete.
    Sie brauchte einen Moment, bis ihr klar wurde, was das
bedeutete. Dann sprang Alvirah auf und rannte zum
Materialschrank. Unter den diversen elektronischen
Geräten, die sie und Willy mit Begeisterung
heimschleppten, befand sich auch eines, das die
Telefonnummern von Anrufern aufzeichnete. Beim Kauf
hatten sie übersehen, daß es in New York zwecklos war.
    Lieber Gott, betete sie, als sie

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