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Der Mord zum Sonnntag

Der Mord zum Sonnntag

Titel: Der Mord zum Sonnntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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zurückrufen? Aber falls sich einer
von denen meldete, wüßten sie, daß sie ihnen nachspürte.
Also versuchte sie es beim Globe. Jim, ihr Chefredakteur,
saß noch am Schreibtisch, wie erwartet. Sie erklärte, was
sie brauchte.
«Klar, das kann ich für Sie rauskriegen, Alvirah. Sie
klingen irgendwie mysteriös. Arbeiten Sie an einem Fall,
über den Sie einen Artikel für uns schreiben können?»
«Das weiß ich noch nicht genau.»
Zehn Minuten später rief er zurück. «He, Alvirah, das ist
’n ganz obskures Etablissement, nach dem Sie fahnden.
Heißt Lincoln Arms Hotel, in der Ninth Avenue, in der
Nähe vom Tunnel. Absteige wär noch geprahlt.»
Lincoln Arms Hotel. Alvirah rang sich noch einen Dank
an Jim ab, bevor sie den Hörer hinknallte und
hinausstürzte.
Vorsichtshalber verließ sie das Gebäude durch die
Garage und nahm ein Taxi. Sie wollte dem Fahrer die
Adresse des Hotels nennen, überlegte es sich dann anders.
Wenn nun einer von Willys Entführern sie entdeckte? Sie
ließ sich am Busbahnhof absetzen. Das war nur einen
Block vom Lincoln Tunnel entfernt.
Mit Kopftuch und hochgeschlossenem Mantelkragen
ging Alvirah am Lincoln Arms Hotel vorbei. Zu ihrem
Schrecken stellte sie fest, daß es sich um einen recht
umfänglichen Komplex handelte. Sie schaute zu den
Fenstern hinauf. Befand sich Willy hinter einem? Das
Haus sah aus, als sei es vor dem Bürgerkrieg erbaut
worden, aber es hatte mindestens zehn bis zwölf
Stockwerke. Wie konnte sie ihn dort jemals finden?
Wiederum überlegte sie, ob sie die Polizei rufen solle, und
dann erinnerte sie sich wieder an den Fall, in dem eine
Ehefrau genau das gemacht hatte; die Bullen wurden am
vereinbarten Ort bei der Übergabe des Lösegelds entdeckt,
und die Entführer rasten davon. Die Leiche fand man nach
drei Wochen.
Alvirah stand an der Seitenfront des Hotels im Dunkeln
und betete. Und dann sah sie es. Ein Schild im Fenster.
BEDIENUNG GESUCHT. Schichtdienst von 16 bis 24
Uhr. Zimmerkellnerin? Sie mußte diesen Job unbedingt
kriegen, aber nicht in diesem Aufzug.
Ohne auf die Lastwagen, Autos und Busse zu achten, die
auf den Tunnel zurasten, schoß Alvirah auf die Straße,
schnappte sich ein Taxi und nannte die Adresse in
Flushing.
Vierzig Jahre lang war die alte Wohnung ihr Zuhause
gewesen, und sie sah noch genauso aus wie an dem Tag,
als sie in der Lotterie gewonnen hatten. Die dunkelgraue
Samtcouch mit den tiefen Polstern und dem passenden
Sessel, der kleine Teppich in Grün und Orange, den die
Dame, bei der sie dienstags putzte, ausrangiert hatte, die
Schlafzimmereinrichtung mit Mahagonifurnier, von
Willys Mutter mit in die Ehe gebracht.
Im Schrank hingen all die Sachen, die sie damals
getragen hatte. Farbenfrohe Baumwollkleider. Lange
Hosen und Sweatshirts aus Polyester, Turnschuhe und
ebenso hochhackige Schuhe, alles Sonderangebote. Im
Spiegelschrank im Badezimmer fand sie die Hennatönung,
mit der ihr Haar die gleiche Farbe bekam wie die
aufgehende Sonne auf der japanischen Flagge.
Eine Stunde später war keine Spur mehr übrig von der
zur feinen Dame avancierten Lotteriegewinnerin.
Leuchtend rote Haarsträhnen umrahmten ein Gesicht, grell
geschminkt, wie sie es bevorzugte, bevor Baronin Min ihr
beibrachte, daß weniger mehr war. Der alte Lippenstift
paßte zum flammendroten Haar. Ihre Augen waren
farbenprächtig dekoriert. Arbeitshosen, die über dem
Gesäß spannten, knöchellange, dicke Wollsocken,
abgetragene Turnschuhe, ein Sweatshirt mit Fellbesatz
und der bunten Skyline von Manhattan auf dem Rücken
machten die Verwandlung komplett.
Alvirah begutachtete das Ergebnis tiefbefriedigt. Ich
sehe genau aus wie jemand, der sich in dem lausigen Hotel
um einen Job bewirbt, befand sie. Zögernd ließ sie die
rosettenförmige Anstecknadel in der Schublade. Die paßte
einfach nicht auf das Sweatshirt.
Als sie ihren alten Allwettermantel anzog, fiel ihr ein,
daß sie Geld und Schlüssel noch umräumen müßte in die
schwarz-grüne Einkaufstasche, die sie immer zu ihren
Putzstellen mitgenommen hatte.
Nach vierzig Minuten war sie im Lincoln Arms Hotel.
Die schmuddelige Halle bestand aus einem abgenutzten
Schreibtisch vor einer mit Briefkästen bestückten Wand
sowie vier Sesseln in unterschiedlich ramponiertem
Zustand. Der fleckige braune Teppich war durchlöchert,
darunter erkannte man den uralten Linoleumbelag.
Was heißt hier Zimmerkellnerin, dachte Alvirah, die
sollten sich nach einer Putzfrau

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