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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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Chanum. Ich bin doch kein Kind. Nachts blieb ich bis zum Morgen wach.«
    »Gut, wenn du die Wahrheit sagst, hättest du ihn dir schnappen und ihn aus ihren Armen ziehen sollen. Weshalb bist du nicht hingegangen? Wärst du doch gegangen und hättest beide bloßgestellt.«
    Sie hatte recht. Weshalb war ich nicht hingegangen? Weil es unmöglich war. Allein der Gedanke fiel mir schwer. Ich hätte es nie gekonnt. Nie wäre ich zu so einer Tat fähig gewesen.
    »Ich fürchtete, daß Koukabs Vater kommen und daß es ein Blutbad geben würde.«
    »Nein, meine Liebe. Du befürchtetest, daß Rahim gezwungen gewesen wäre, sie zu heiraten.«
    »Sie zu heiraten? Diesen Abfall? Eher würde ich sterben, als daß er sie heiratete.«
    Ich protestierte und litt doch. Ich kämpfte um jemand, der keinen Wert mehr für mich besaß, und wollte dennoch siegen.
    »Weshalb sollte er sie nicht heiraten? Weshalb quält es dich? Hat es sie etwa nicht gequält, daß du ihr den Verlobten entrissen hast? Hast du dir etwa nicht Rahim geschnappt?«
    »Ich habe ihn mir nicht geschnappt. Er begehrte sie nicht. Jetzt, wo er mich satt hat, hat er nur noch Augen für das Geschäkere dieses Weibsbilds.«
    Über die gewöhnlichen Worte, die mir über die Lippen kamen, und über das Gezänk mit dieser Frau war ich selbst erstaunt. Ich bemerkte, wie ich nach und nach in diesem Sumpf versank, und konnte meine Zunge doch nicht im Zaum halten. Lachend sagte sie, »Wie kommt es, daß das Geschäkere dir zustehen sollte und Koukab nicht? Na eben, etwas Gutes ist bei allen begehrt. Mein Sohn sieht gut aus und ist attraktiv. Die Frauen und Mädchen lassen ihn nicht in Ruhe. Ist es etwa seine Schuld? Wie kommt es, daß er für dich gut ist und für Koukab nicht? Haben etwa Leute, die kein Geld haben, keine Gefühle?«
    Ich erhob mich, »Das war das letzte Mal, daß ich Ihnen mein Herz ausgeschüttet habe. Noch heute werde ich diese Angelegenheit mit Rahim regeln.«
    Wie eine Löwin schritt ich im Zimmer auf und ab. Seine Mutterlief im Hof auf und ab und grollte. Mein Sohn lief frei herum. Mal rannte er seiner Großmutter hinterher, mal kam er zu mir. Aus unserem Gebaren wurde er nicht schlau. Die Tür öffnete sich, Rahim trat ein und sagte zu seiner Mutter, »Sie sind fortgegangen. Bist du nun zufrieden?«
    Seine Mutter sagte, »Weshalb sollte ich zufrieden sein? Deine Ehefrau ist noch zufriedener. Du müßtest mal sehen, was für einen Aufstand sie seit heute morgen veranstaltet hat!«
    Rahim sagte, »Sie soll sich unterstehen.« Wütend nahm er zwei Stufen gleichzeitig und kam hoch. Die Luft war frühlingshaft mild. Es duftete nach Frühling. Er schlug die Zimmertür zu und trat ein. Stellte sich vor mich hin und sagte, »Sag mir endlich, was du eigentlich willst?«
    »Weißt du es tatsächlich nicht? Schämst du dich gar nicht?«, fragte ich.
    »Was hab ich denn verbrochen, daß ich mich schämen sollte? Habe ich jemanden umgebracht?«
    »Denkst du, ich wär blöd? Denkst du, ich hätte nicht gemerkt, daß du nachts zu dieser Frau gegangen bist?«
    Ich hatte nicht einmal Lust, ihren Namen zu erwähnen. Ich erwartete, daß Rahim leugnen würde. Daß er mir beweisen würde, daß ich mich irrte. Aber er erwiderte ungerührt, »Na und, bin ich halt gegangen. Hab ich gut gemacht. Was sagst du nun?«
    Mir fielen die Augen aus dem Kopf. Ich schrie, »Bist du halt gegangen? Hast du gar kein Schamgefühl? Läßt deine Frau fahren und gehst zu diesem elenden Weibsbild? Spielst dich auch noch vor mir auf? Hat dieses schamlose Weib mit keinem Wort gesagt, ›Verschwinde‹?«
    »Nein, hat sie nicht. Sie begehrt mich.«
    Ich kehrte ihm den Rücken zu und äffte ihn nach, » Sie begehrt mich . Es reicht, Rahim, schämst du dich nicht? Schämt sich dieses Weib nicht? Hat sie kein Ehrgefühl?«
    »Hattest du etwa Ehrgefühl? Wenn es schlecht ist, weshalb hast du es denn getan?«
    »Was soll ich getan haben? Bin ich ins Zimmer gekommen und habe mich neben dich gelegt?«
    »Du hattest kein Zimmer, sonst hättest du das auch noch getan.«
    Der Pfeil traf ins Schwarze. Ein Stöhnen entfuhr mir. Verfluchtsollte ich sein, daß ich ihn begehrt hatte. Ich sagte, »Du hast recht. Eine gemeine Frau wie ich verdient nur einen solchen Ehemann wie dich.«
    Seine Stimme steigerte sich zum Geschrei, »Du spuckst große Töne? Bist du toll geworden? Was ist los? Was verlangst du von mir?«
    Sein Blick war unstet, wie bei einem Tier, das man von seinem Weibchen getrennt hatte. Wie sehr ich

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