Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
Vom Netzwerk:
entschuldigen.«
    »Vielen Dank.«
    Mit Rahim und meinem Sohn streckte ich mich auf dem bloßen Boden auf dem Wollteppich aus und warf meinen Gebets-Tchador und das Kaschmirtuch, das ich aus der Truhe hervorgeholt hatte, über uns.
    Rahim sagte, »Wirf das Tuch über das Kind. Ich will es nicht.«
    »Aber du wirst dich erkälten, Rahim. Die Luft ist noch kühl.«
    »Mir ist nicht kalt. Leg dich hin und schlaf. Warum quengelt dieses Kind so? Ich werde ihm eins auf den Mund geben!«
    »Tu das nicht, Rahim. Es zahnt.« Er wandte mir den Rücken zu und legte sich grollend schlafen.
    Ich war gerade am Einschlafen, als sich Rahim behutsam erhob. Die Zimmertür klickte, eine Pause entstand, und mit einem Klicken wurde sie wieder geschlossen. Mir schoß das Blut ins Herz. Ich erstarrte. Vielleicht träumte ich! Aber nein, ich war wach. Weshalb war ich so mißtrauisch geworden? Vielleicht war Rahim zur Toilette gegangen. Bestimmt, ganz bestimmt. Als würde er in anderen Nächten etwa nicht hingehen? Nur war ich dann nicht so argwöhnisch. Sorglos schlief ich ein und dachte nicht weiter darüber nach. Aber weshalb war das Geräusch der Salontür nicht zu hören? Mußte er die Tür etwa nicht öffnen und schließen?
    Ich hörte ein kurzes und gedämpftes Lachen. Das Lachen einer Frau und dann nichts mehr. Ich setzte mich auf. Die ganze Welt erschien mir dunkel und düster. Nein, ich weinte nicht. Es gab nichts mehr zum Weinen. Dafür war es zu spät. Ich erstickte. Aus Rachsucht? Nein, aus Ehrgefühl. An der Kränkung, die er mir zufügte. Ansonsten war Rahim von dem Augenblick an, als das Klicken der Tür zu hören war, für mich gestorben. Sollte ich das Fenster öffnen? Nein, mein Sohn wird sich erkälten. Wie konnte er nur! Dazu mit dieser Frau! Vom Scheitel bis zur Sohle verdreckt, unrein, primitiv und nichtswürdig. Wie konnte er sie mir vorziehen? Wie konnte er nur? In meinem Haus, in meinem Bettzeug? Neben meinem Zimmer. Wie dreist und wie unverfroren. Wie er mich erniedrigte… Aber nein. Ich bildete mir das nur ein. Gleich würde er die Stufen hinaufsteigen, und ich würde mich über meine häßlichenGedanken schämen… Weshalb kam er denn nicht! Eine Viertelstunde verging, eine halbe… Ich sah mich im Zimmer um. Als sähe ich diesen Raum zum ersten Mal. Als sähe ich dieses Haus zum ersten Mal. Sähe mich selbst dort, wo ich angekommen war. Ich betrachtete meinen Sohn, der sich arglos und unschuldig in der schmutzigen und erbärmlichen Kleidung, die seine Großmutter ihm verpaßt hatte, auf dem Boden neben mir ausgestreckt hatte. Ich war eher um ihn bekümmert. Wo sollte ich hingehen? Was sollte ich mit ihm tun? Sollte ich ihn in dieser Hölle zurücklassen oder mit mir nehmen? Wie konnte mein Ehemann diese Frau Bassir ol-Molks Tochter vorziehen? Bassir ol-Molks Tochter mit dem hübschen Gesicht und der gepflegten Aufmachung! Ach, wär ich doch tot. Die Dienerin meiner Mutter war sauberer und angesehener als diese Frau. Wenn mein Vater es erfahren würde. Nein, weshalb sollte er es erfahren? Es genügte, wenn meine Amme davon Wind bekäme… Wie liebevoll war ich zu diesem Mann gewesen und nun!… Was würde ich sehen, wenn ich die Zimmertür öffnete? O Gott, bestrafst du mich? Schamloser Kerl. Ich hatte mir gesagt, ich werde ihn erziehen, aber es war mir nicht gelungen. Ich hatte nicht gewußt, daß man die Natur eines Mannes nicht ändern kann. Ich hatte nicht gewußt, ein Guter würde immer gut bleiben, und falls er schlecht war, haftete die Erziehung am Unwürdigen wie eine Walnuß auf einer Kuppel. Schamlos fragte er mich, ›Kann ich in meinem eigenen Haus nicht einmal Gäste bewirten?‹ War das etwa dein Haus? Unverschämter Kerl… Er war wie seine Mutter. Dreist und unverfroren. Kein Gefühl für gut und böse. Schamloser Blick. Undankbar. Siehst du nun, was ich mir selbst zugefügt habe? Mein Vater hatte recht, als er sagte, dieses Jüngelchen hätte keine anständige Herkunft. Wie oft hatte er es wiederholt! Wie sehr hatten sich alle den Mund fusselig geredet! Es war meine eigene Schuld. Ich hatte es mir selbst eingebrockt. Nun mußte ich dafür büßen. O Gott, was hatte ich nur verbrochen!… Plötzlich fuhr ich zusammen. Kalter Schweiß bedeckte meinen Körper. War das nicht die Verwünschung, die mir mein Vater mitgegeben hatte? Wie schnell war sie in Erfüllung gegangen. O, Agha Djan, was hatte ich nur verbrochen!… Was hatte ich nur verbrochen! Gott verdamme dich, Mahbube, was hattest du dich zu

Weitere Kostenlose Bücher