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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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gesamten Familie erobert. Zunächst wollte er eine bescheidene Feier veranstalten und dann seine Frau in ihr gemeinsames Haus mitnehmen. Er sagte, ›Ich halte nichts von Formalitäten.‹ Dein Agha Djan sagte, ›Wie Sie wünschen, doch dann bleibt meine Sehnsucht zum zweiten Mal unerfüllt.‹ Daraufhin kam seine Mutter aus der Provinz nach Teheran. Sie ist das Oberhaupt der Sippe. Es heißt, sie hätte alle jungen Leute der Familie ermuntert zu studieren. Alle schätzen sie. Sie ist eine starke Frau. Keiner wagt es, ihr zu widersprechen. Keiner tut einen Schritt, ohne sich vorher mit ihr zu besprechen. Was für eine Dame! Hoch gewachsen und schlank. Das Haar wie Watte. Sie flicht ihre Zöpfe und trägt ein weißes Kopftuch aus Samt. Die Kleidung zurückhaltend und ordentlich. Sie kam zu Besuch und hat die üblichen Höflichkeiten ausgetauscht, hat sich nach dem Befinden aller erkundigt. Sie ist fast wie ein Mann. Sie ist allein gekommen, hat mit deinem Vater wie von Mann zu Mann gesprochen und gesagt, ›Mostafa will zwar kein Fest veranstalten, aber dafür kann doch die junge Frau nichts! Sie ist jung und hat ihre Träume. Wie oft wird man Braut? Ich habe auch meinen Wunschtraum. Die Hochzeitsfeier muß stattfinden, und zwar in aller Form.‹ Dein Agha Djan sagte zum Doktor, ›Sie können sich glücklich schätzen, solch eine Ratgeberin zu besitzen.‹ In zwei Monaten wird am Vorabend des Feiertags der Geburt der Hazrat-e Fatemeh(Friede sei mit ihr) ihr Hochzeitsfest stattfinden. Du glaubst nicht, was für ein Hochbetrieb bei uns herrscht!« Sie legte eine Pause ein und sagte unschlüssig, »Komm du doch auch, Mahbube Djan.«
    »Hat Chanum Djan gesagt, daß ich kommen soll?«, fragte ich.
    Sie dachte ein wenig nach und murmelte zögernd, »Nein. Aber wenn du kommst, werden sie dich doch nicht hinauswerfen!«
    »Nein, liebe Amme. Laß mich in Ruhe. Streu mir nicht Salz in die Wunden.«
    Ich hatte meinem Sohn ein Nachtkäppchen gekauft. Er mochte es sehr und trug es ständig. Es war mit geometrischen Mustern in Rot, Grün und Blau verziert. Jedesmal, wenn er hinfiel, sagte er, »Nanneh, puste drauf. Es ist staubig geworden.«
    »Sag Chanum Djan, damit ich puste.«
    »Gut, Chanum Djan. Und jetzt puste drauf.«
    Und meine Schwiegermutter hob pikiert die Braue.
    Tantchen zog eine kleine Nachtkappe aus dem Buchsbaumkästchen und zeigte sie Sudabeh.
    »Das ist sie. Die trug er. Mit seinem runden, pausbäckigen Gesicht erschien er mir wie eine Puppe.«
    Die Amme hatte gesagt, daß man eine Woche vor der Hochzeit die Mitgift überbringen würde. Sie hatte gesagt, daß man am Vorabend der Hochzeit die Brautgeschenke bringen würde. Ich zog meinem Sohn ordentliche Kleidung an und hüllte mich in den Tchador, um los zu gehen. Ich wollte mich mit meinem Sohn hinstellen und aus der Ferne der Übergabe der Brautgeschenke zusehen. Ich wollte, daß mein Sohn die Pracht des Hauses seines Großvaters zu sehen bekam. Ich wollte in irgendeiner Art und Weise an der Freude und am Jubel zu Chodjastehs Hochzeit teilnehmen. Meine Schwiegermutter stellte sich mir in den Weg, »Wohin willst du so kurz vor Anbruch der Dämmerung?«
    »Man wird Chodjasteh die Brautgeschenke überbringen. Wir gehen zuschauen.«
    »Wenn sie deine Anwesenheit gewünscht hätten, hätten sie dich eingeladen. Nein, meine Liebe, das geht nicht. Rahim hat gesagt, du hättest kein Recht, das Kind mitzunehmen.«
    »Gut, dann gehe ich allein.«
    »Was für eine List hast du dir schon wieder einfallen lassen? Wenn du gehen willst, geh, aber dann mußt du Rahim selber Rede und Antwort stehen.«
    Ich sah ein, daß es sich nicht lohnte. Ich konnte es nicht ertragen, geschlagen zu werden. Ich war erschöpft und abgemagert. In meinem Kleid sah ich jämmerlich aus. Es war genug. Es lohnte nicht den Aufruhr. Wieder sagte ich mir, ›Du hast es gewollt, Mahbube. Das war die Suppe, die du dir selber eingebrockt hast. Mit Engelszungen hat man auf dich eingeredet und dir davon abgeraten. Du hast gesagt, ich will es und tue es. Das hast du nun davon. Nun bade es aus.‹ Ich wollte in mein Zimmer zurückkehren. Mein armer Sohn, der sich auf das Ausgehen gefreut hatte, brach in Tränen aus.
    Meine Schwiegermutter sagte, »Kind, geh und spiel vor der Tür. Willst du zu Agha Sseyyeds Haus gehen?« Mein Sohn ging hinaus, und ich kehrte müde und angewidert in die beiden Zimmer zurück, über die ich verfügen konnte.
    Mein Sohn war fünf und stand kurz vor seinem sechsten Lebensjahr.

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