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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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Es war gegen Ende des Winters. Als ich eines Frühmorgens aufwachte, hatte es geschneit. Nach dem Frühstück hatte ich mich mit meinem Sohn bis zum Kinn unter dem Korsi verkrochen. Er hatte seinen kleinen Körper an mich gelehnt und döste. Rahim war vom Dach gestiegen und schippte nun den Schnee im Hof. Obwohl mein Sohn darauf bestanden hatte, mit seinem Vater in den Hof zu gehen, hatte ich es ihm nicht erlaubt. Rahim betrat das Zimmer und rieb sich die Hände vor Kälte. Er versank auf der anderen Seite des Korsi unter der Decke. Seine Wangen und sein Gesicht waren vor Kälte gerötet. Er wandte sich an meinen Sohn und sagte scherzend, »Oh, Almass Chan, wie kalt das Wetter geworden ist!«
    Ich sagte zu meinem Sohn, »Siehst du nun, wie gut es war, daß du nicht in den Hof gegangen bist! Sonst hättest du dich erkältet.«
    Rahim sagte lachend, »Ja, mein Lieber, soll dein Vater sich erkälten. Weshalb solltest du hinausgehen?«
    Ich lachte und küßte meinen Sohn auf den Kopf. Er preßte sich an mich. Rahim fragte, wobei er mir in die Augen starrte, unseren Sohn scherzend, »Almass Djan, magst du nicht, daß wir dir ein Brüderchen oder Schwesterchen beschaffen?«
    Ich lachte und sagte, »Schäm dich, Rahim.«
    Er erhob sich, »Schade, daß ich gehen muß.«
    Wie gut aufgelegt er war! Er ging ins Nebenzimmer und ließ die Verbindungstür offenstehen. Ich wunderte mich. Wohin wollte er, der an normalen Tagen nicht arbeiten ging, bei diesem Schneewetter gehen? »Wohin?«, fragte ich.
    In verlockendem Ton sagte er, »An einen schönen Ort.« Er ging und nahm sein Jackett vom Nagel. Er holte den Schlüssel meiner Truhe unter dem Teppich hervor.
    »Was willst du, Rahim?«
    »Geld.«
    »Geld ist doch keines mehr übrig. Es ist Monatsende. Dieses Geld ist für unsere tägliche Ausgaben.«
    »Nun gut, dann muß man es halt ausgeben!«
    Wie leicht konnte er die Behaglichkeit von einem Augenblick auf den anderen ignorieren. Ich fragte ihn, »Willst du wieder Wein trinken gehen?«
    »Ich will gehen und tun, was mir gefällt. Hast du etwas einzuwenden?« Er frisierte sich und sagte, »Ich gehe jetzt und empfehle mich.«
    Mein Sohn schlief. Ich erhob mich. Seit zehn oder fünfzehn Tagen war ich nicht mehr ins Hammam gegangen. Meine Schwiegermutter wußte es genauer. Wegen der Kälte war mir nicht danach zumute, aber es half nichts. Man konnte nicht den ganzen Winter über nicht ins Hammam gehen. Die Sonne kam zwischen den Wolken hervor, breitete ihre wärmenden Strahlen auf dem Schnee im Hof aus und schien durch das Fenster auf den Korsi. Ich schob die Fensterläden zur Seite, damit die Sonne das Zimmer besser wärmen konnte. Mein Sohn schlief unter dem Korsi. Ich nahm mein Hammam-Bündel und ging zu ihm in den Salon. Er schlief noch immer. Als ich die Tür öffnete, wachte er von dem Geräusch auf und begann zu weinen, »Ich komm auch mit. Ich komm auch mit.«
    Ich kniete mich neben ihn, »Wohin willst du mitkommen? Ich gehe gerade ins Hammam.«
    Obwohl er das Abschrubben und Haarewaschen verabscheute, erhob er sich von seinem Platz und stellte sich auf das Laken des Korsi. Seine großen Augen standen voller Tränen. Rahims Augen!Er schniefte in einem fort. Sein kleiner weißer Adamsapfel war zum Küssen. Er sagte erneut, »Ich komme auch mit.«
    »Magst du, daß ich dir die Hände abschrubbe. Magst du, daß ich dir die Haare wasche?«
    Er nickte bejahend, zog eine Schnute und sagte, »Ja.«
    Ich lachte schallend, »Du Schlingel. Wenn du dableibst, bekommst du etwas Feines von mir.«
    »Was?«
    Ich wußte, daß er die Körner des indischen Hanfs mochte, die wir an jenem Tag nicht im Haus hatten. Ich log, »Weizen- und Hanfkörner.«
    Vor Freude hüpfte er auf und ab, »Gib, gib.«
    »Ich werde der Chanum sagen, daß sie sie dir gleich bringt.«
    Ich rief nach seiner Großmutter. Sie sagte, »Komm, laß uns gehen, Almass Djan. Ich will dir Weizen- und Hanfkörner geben. Gleich wird deine Mutter zurückkehren. Komm bloß schnell zurück, Mahbube!… Schnell, schnell.«
    Als ich das Haus verließ, kletterte mein Sohn gerade auf einen kleinen Schneehaufen, am Rand des Hofs, und die Wintersonne, die auf sein Nachtkäppchen schien, ließ dessen fröhliche Farben aufleuchten. Meine Schwiegermutter trug ein Tablett mit Reis schlurfend die Treppe hoch und rief, »Almass Djan, mein Kind, komm, laß uns im Zimmer den Reis putzen.«
    Ich kehrte vom Hammam zurück. Die Sonne schien. Der Schneefall dieses Tages war das letzte Aufbäumen

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