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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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ihrer Chanum Djan gehen kann.«
    Ich sagte, »Chanum, werden Sie nicht ausfallend. Weshalb bewahren Sie nicht Ihre Würde?«
    Rot vor Zorn sprang Rahim von seinem Platz auf. »Lügt sie etwa? Lügt sie?«
    Das Licht der Petroleumlampe fiel auf sein hochrotes Gesicht, seine geröteten Augen und seinen buschigen Schnauzbart. Er preßte die Zähne zusammen. Wie abstoßend mir dieses Gesicht erschien. Ich wußte selbst nicht mehr, in was ich mich bei ihm verliebt hatte. Ich sagte, »Rahim, gib um Himmels willen Ruhe.«
    »Du willst kein Kind von mir, oder? Ist es unter deiner Würde? Bin ich jetzt pfui? In der Schreinerei wolltest du mich ja verschlingen. Erinnerst du dich?«
    »Damals war ich ahnungslos und naiv. Jetzt begreife ich, was ich verbrochen habe.«
    Seine Ohrfeige knallte wie ein Peitschenhieb auf mein Gesicht. Dieses Mal griff meine Schwiegermutter nicht ein. Sie sagte nur genüßlich, »Das hattest du verdient.«
    Während ich mir mit der einen Hand die Wange hielt, wandte ich mich ihr zu und fragte, »Chanum, beten Sie?«
    Spöttisch erwiderte sie, »Nein, nur du tust es.«
    Ich sagte, »Sie beten und säen Zwietracht zwischen einem Ehepaar? Schämen Sie sich nicht, das Feuer zu schüren und dann vor Gott hinzutreten? Fürchten Sie nicht das Jenseits? Was für einen Nutzen haben Sie davon? Was nützt Ihnen mein Elend? Was habe ich Ihnen getan? Habe ich Sie denn nicht stets respektvoll behandelt? Fürchten Sie Gott. Sie haben mich sehr enttäuscht.«
    Meine Stimme steigerte sich zu einem Wehklagen. Es war mir nicht mehr wichtig, ob die Nachbarn es hörten. Ob sie hinter der Haustür oder auf dem Dach ihres Hauses standen und heimlich Ausschau hielten. Ich sagte den beiden nicht mehr, daß sie ihre Stimmen senken sollten. Daß wir vor den Nachbarn unser Ansehen verlieren würden. Ich war wie sie geworden. Rahim stieß durch die zusammengepreßten Zähne hervor, »Was hast du? Was schreist du so?«
    »Rahim, behandle mich nicht so. Du hast dir doch keine Leibeigene gekauft. Ich hab mein Kind abtreiben lassen. Hab ich gut gemacht. Weißt du, weshalb? Deinetwegen. Wegen deiner Mutter und ihrer boshaften Anspielungen. Ich will nicht. Ich will kein Kind mehr. Soll ich schwanger werden, um mich deinen Quälereien und denen deiner Mutter noch mehr auszuliefern? Ich hab die Nase voll. Ich wünschte, ich könnte in die Wüste gehen und alles hinter mir lassen… Ihr habt mich um den Verstand gebracht. Wie lange soll ich noch Rücksicht nehmen? Wie oft soll ich noch nachgeben? Paß auf, daß ich nicht irgendwann fortgehe und mein Kind mitnehme!«
    Er stemmte die Hand in die Hüfte, »Daß du fortgehst und dein Kind mitnimmst? Darauf kannst du warten, bist du schwarz wirst. Ich werde dir so viele Kinder anschaffen, daß dir keine freie Minute mehr bleibt. Dieses eine hast du dir ja wegmachen lassen, aber was wirst du mit den kommenden anstellen? Von jetzt ab mußt du jährlich eins gebären.«
    Er packte meine Hand und zog mich zum Schlafzimmer.
    »Laß das, Rahim. Mir geht es nicht gut. Ich bin krank. Laß mich in Ruhe.«
    Seine Mutter erhob sich, verließ das Zimmer und schlug die Tür heftig hinter sich zu. Ihre Intrige war erfolgreich gewesen. Ich entzog Rahim meine Hand. Er sagte, »Du behauptest, krank zu sein? Dir fehlt überhaupt nichts.«
    Er packte mich an den Haaren und zog. Vor Schmerz erhob ich mich und ließ mich, getrieben von den Schmerzen am Kopf, in das andere Zimmer ziehen. Er warf mich zu Boden. Mein Körper war von der Abtreibung und den Blutungen noch geschwächt und schmerzte. Der Sturz auf den Boden zerstörte meinen letzten Widerstand. War diese verhaßte Umarmung dieselbe, die ich einst begehrt hatte? O weh, was hatte ich mir nur eingebrockt .Wieder gab mir meine Monatsblutung die frohe Botschaft, daß ich nicht schwanger geworden war. In ihrer Wut glichen Rahim und seine Mutter angeschossenen Panthern. Er fragte, »Bist du nicht schwanger?«
    »Nein.«
    »Freust du dich?«
    Ich log vor Angst, »Nein.«
    »Die Nacht ist lang. Keine Bange, bis zum nächsten Monat haben wir dreißig Nächte Zeit.«
    Und wieder setzte im nächsten Monat die Regelblutung ein, die mir Nachricht von der Befreiung gab.
    Ein, zwei, drei, sechs Monate, ein weiteres Jahr verging. Mein Sohn war fünf Jahre alt, und ich wurde nicht mehr schwanger. Ich war beruhigt. Nachts flehte ich nicht mehr zu Gott, er möge Rahim die Beine brechen, damit er nicht nach Hause zurückkehrte. Rahim befahl mir, »Geh zum Arzt.«
    Ich

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