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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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Haus. Nur du machst Mätzchen, nur du schreist Zeter und Mordio, sobald du sieben Häuser weiter die Stimme einer Frau hörst. Kommt meine Verwandte her, sagst du, sie sei Rahims Geliebte. Siehst du auf der Straße eine Frau, sagst du, Rahim wolle sie heiraten. Alle müssen sich zusammenreißen, damit die Gnädigste nicht womöglich beleidigt ist. Überhaupt, weißt du was? Selbst wenn Rahim nicht heiraten will, ich werde die Ärmel hochkrempeln und ihn unter allen Umständen wieder verheiraten.«
    In der Schlacht, die wieder losgegangen war, war ich diejenige, die unterging. Die in den Abgrund gezogen wurde. Mein Inneres wurde ausgehöhlt, und ich verwandelte mich in ein Abbild derer, mit denen ich zusammenlebte. Rahims Mutter räumte das Feld nicht. Sie war eine hartnäckige Kämpferin, die die Auseinandersetzung genoß. Ich wandte ihr den Rücken zu. Sinnlos, sich mit ihr anzulegen. Während ich die Stufen hochstieg, um in mein Zimmer zu gehen, sagte ich, »Sieh nur, mit wem ich mich anlege!«
    Rahim kam bei Einbruch der Nacht nach Hause. Seine Mutter sprang auf und zog ihn in ihr Zimmer. Zehn Minuten, eine Viertelstunde, eine halbe Stunde verging, bis ich den Klang seiner Schritte hörte, wie er den Hof überquerte und die Stufen hochstieg. Seine Stirn lag in Falten. Ich saß neben dem Samowar und sagte »Salaam.«
    »Salaam zur Hölle. Wo, zum Teufel, hast du dich heute nachmittag herumgetrieben?«
    »Hat deine Mutter Bericht erstattet?«
    »Ich fragte, ›Wo, zum Teufel, hast du dich herumgetrieben?‹«
    Gelassen antwortete ich, »Nirgendwo. Ich war traurig und dachtemir, ich mache einen Spaziergang. Ich kam an deinem Geschäft vorbei, und Ma’sume Chanum war anwesend. Da dachte ich mir, es sei ratsamer, nicht zu stören.«
    Einen Augenblick lang starrte er mich mit offenem Mund an. Er konnte nicht glauben, daß ich so gut Bescheid wußte. Seine Mutter betrat das Zimmer und setzte sich wieder streitlustig und kampfbereit in eine Ecke. Rahim nützte den Augenblick, um sich wieder in die Gewalt zu bekommen. »So ist das also! Du hast mich also bespitzelt?«
    »Na und, schließlich hätte ich es ja doch gemerkt. Wenn du die neue Braut ins Haus gebracht hättest.« Ich wandte mich meiner Schwiegermutter zu und fügte höhnisch hinzu, »Übrigens müssen Sie wissen, Chanum, daß Ma’sume Chanum schielt. So kann sie Rahim Aghas Schönheit doppelt sehen.«
    Rahim trat vor, versetzte mir einen Fußtritt und sagte, »Treib’s nicht so weit, daß ich dich unter meinen Füßen zertrete!… Kaum ist man wieder zu Hause, gibt es nichts als Ärger!« Und er ging, um sich sein Jackett zu holen.
    Ich hatte mich an dieses Verhalten gewöhnt und sagte, ohne mich um den Fußtritt zu kümmern, »Ich hab doch gesehen, wie der Herr Tag um Tag nicht ins Geschäft ging, und wenn, dann nachmittags um zwei. Sag bloß, er hatte ein Rendezvous!«
    »Und wenn schon. Geschieht dir ganz recht. Hattest du sonst etwas einzuwenden?«
    »Ich habe nichts einzuwenden, aber vielleicht haben ihr Onkel, der Gendarm, und der Seifensieder und Messerstecher von einem Bruder etwas einzuwenden.«
    Ich konnte das Entsetzen in seinen Augen sehen. Er trat näher und sagte, »Willst du mich ins Verderben stürzen? Wenn du sie nur noch ein einziges Mal erwähnst, bekommst du eine Ohrfeige, daß dir die Zähne aus dem Mund fliegen.«
    Seine Mutter schaltete sich ein, »Neuerdings spuckt sie große Töne. Mein Haus! Mein Geschäft! Das Haus gehört mir. Das Geschäft ist mein Eigentum. Rahim hat hier nichts zu melden.«
    Er wandte sich mir zu und sagte, »Ja? Hast du das gesagt?«
    Ich wandte mich an seine Mutter und fragte, »Hatte ich ein Wort über das Geschäft verloren?«
    »Nein, du hast nur davon gesprochen, daß Rahim heiraten will.«
    Rahim war still. Er ging im Zimmer auf und ab. Nach einer Weile fragte er, »Wer hat dir denn gesagt, ich will heiraten?«
    »Wer es gesagt hat? Deine Mutter sagt, ich könnte keine Kinder mehr bekommen!« Ich brach in Tränen aus und fügte weinend hinzu, »Sie sagt, ›Rahim will einen Erben.‹ Ich habe selbst gesehen, wie das Mädchen vor dem Geschäft mir dir schäkerte.«
    Seine Mutter sagte, »O weh… wie empfindlich!… Jetzt ist die gnädige Frau beleidigt!«
    Rahim wandte sich an sie, »Steh auf und geh in dein Zimmer. Den ganzen Ärger hast du angezettelt.« Seine Mutter verließ grollend den Salon.
    Er setzte sich auf das Fenstersims und stützte den Kopf in die Hände. Nach einer Weile sagte er sanft, als

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