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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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Seiner unbescholtenen, wehrlosen Ehefrau? Seiner Anvertrauten? Ich spucke auf diesen Abschaum!«
    Hassan Chan sagte sanft, »Und offenbar war es nicht das erste Mal.«
    Mein Vater sah mich an, »Sagt er die Wahrheit? Und du bist trotzdem bei ihm geblieben? Hast es ertragen? Hast mit ihm zusammengelebt?«
    »Ich dachte mir, es würde sich vielleicht einrenken, Agha Djan.«
    »Sich einrenken? Nein, meine Liebe. Eine üble Natur bessert sich niemals, denn ihr Grund ist übel. Er hat dich die ganze Zeit über verprügelt, und du hast keinen Ton von dir gegeben? Du hast ihn nicht verlassen? Sieh nur, was er mit dir angerichtet hat. Was für ein übles Tier! Dazu mit einem Mädchen, das wegen dieser nichtswürdigen Existenz auf alles verzichtet hat. Mit meiner Tochter. Einem Mädchen,das nie ein böses Wort gehört hatte…« Seine Stimme erstarb. Einen Augenblick lang sah ich Tränen in seinen Augen schimmern. Sofort kehrte er mir den Rücken zu und begann wieder auf und ab zu gehen. Nach einer Weile sagte er, »Denkt er, er hätte eine Wehrlose getroffen? Ich werde ihm die Hölle heiß machen. Weshalb bist du bloß geblieben, Mädchen? Weshalb hast du es solange ausgehalten, Mahbube? Weshalb?«
    Seine Stimme war sanft und tadelnd. Ich sagte, »Wegen meines Sohns, Agha Djan.«
    Er sagte nichts, wurde aber kreidebleich. Ich bereute meine Worte. Er faltete die Hände auf dem Rücken. Sein Rücken hatte sich gekrümmt. Er starrte auf den Boden und blieb stumm. Esmat Chanum vergoß lautlos Tränen. Mein Vater sagte, »Ich weiß, du hast sehr gelitten.«
    Schluchzend sagte ich, »Agha Djan, keiner weiß, wie sehr. Keiner weiß es!«
    Er wartete, bis meine Tränen versiegt waren. Er öffnete ein paar Mal den Mund, um zu sprechen. Doch seine Lippen bebten, und es gelang ihm nicht. Dann sagte er, »Nun, jetzt ist es vorbei. Red nicht mehr darüber. Mach dir keine Sorgen mehr. Ich werde selber alles in Ordnung bringen. Außerdem ist nichts Schlimmes passiert. Du kannst zurückkehren. Du bist herzlich willkommen. Den Schaden hat er, daß er eine Frau wie dich verloren hat. Ich versteh ja nicht, daß er ein Schmuckstück wie dich nicht zu schätzen wußte. Es ist sein Unglück. Zum Unglück solcher Leute gehört, daß sie den Wert göttlicher Gaben nicht zu schätzen wissen.«
    Hassan Chan sagte, »Sie haben wirklich recht, Agha. Was versteht ein Esel von Kandis- und Zuckerpreisen?«
    Wir gingen ins Zimmer und setzten uns. Hadi servierte uns Tee. Mein Vater fragte, »Was willst du jetzt tun?«
    »Ich will mich scheiden lassen.«
    »Das ist das einzig Richtige. Aber denk trotzdem noch einmal gut darüber nach.«
    »Seit dem zweiten Jahr nach der Hochzeit habe ich darüber nachgedacht, Agha Djan.«
    Mein Vater überlegte kurz und sagte dann, »In diesem Zustand kann ich dich ja nicht nach Hause mitnehmen. Deine arme Mutter würde vor Schreck tot umfallen.«
    Hassan Chan sagte, »Das ist auch meine Meinung.«
    Mein Vater wandte sich an ihn und sagte, »Erlauben Sie, daß Mahbube eine Weile hierbleibt? Solange, bis ihre Schwellungen im Gesicht abgeheilt sind. Dann werde ich selber herkommen und sie mitnehmen.«
    Hassan Chan und Esmat Chanum sagten unisono, »Ich bitte Sie, sie soll es als ihr eigenes Haus betrachten. Sie kann bei uns bleiben, solange es ihr gefällt.«
    Beim Gehen langte mein Vater in seine Jackentasche und drückte mir eine Handvoll Scheine in die Hand. Er küßte mich weder bei der Ankunft noch beim Fortgehen. Ich wußte, weshalb! Schließlich war ich nach wie vor Rahims Frau.
    Nachts breitete Esmat Chanum ihr sauberstes Bettzeug im rechten Zimmer für mich aus. Sie legte mir alles Nötige wie Kamm, Spiegel und Handtücher ins Zimmer. Alles war sauber und neu. An einem Tag ging sie sogar zum Basar und kaufte mir ein Kleid, Unterwäsche und Strümpfe. So sehr ich darauf beharrte, sie wollte kein Geld annehmen. Sie ließ mich keinen Finger rühren. Sie sagte, »Du bist geschwächt, mein Liebes. Es ermüdet mich doch nicht, einen Teller zusätzlich abzuwaschen oder dem Abgusht etwas mehr Wasser hinzuzufügen. Kümmer dich um dich selbst.«
    Nachts setzte sie sich neben mich, bestand jedoch darauf, daß ich mich auf meinem Lager ausstreckte. Ein, zwei Stunden lang schütteten wir einander das Herz aus und genossen das Beisammensein. Manchmal trafen wir uns auch mit Hassan Chan im Wohnzimmer und unterhielten uns über dies und das, wobei Hassan Chan gelegentlich sanft auf der Tar spielte. Mit Hadi unterhielt ich mich über

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