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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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zogen. Allein die Tatsache, daß sie um meine Hand anhielten, betrübte mich. Ich sorgte mich um mein Los und fürchtete mich vor meiner Zukunft. Mein einziger Trost war der Seelenfrieden, den ich in meinem Elternhaus zurückgewonnen hatte, und der achtjährigeManuchehr, der meinen Kummer mit seinen sanften kleinen Händen besser als alle anderen zu lindern verstand.
    Meine Mutter und meine liebe Amme umflatterten mich wie Schmetterlinge. Meine Mutter tat nichts ohne meine Zustimmung. Gelegentlich besuchte ich Hassan Chan, erzählte es aber meiner Mutter nicht. Nicht, daß ich es vor ihr verheimlichen wollte, sondern nur, um sie nicht zu kränken. Meine Mutter merkte es, ließ es sich aber nicht anmerken. Sie wußte nur allzu gut, welchen Dienst sie ihrer Tochter erwiesen hatten. Sie fragte, »Mahbub Djan, wohin gehst du?«
    »Ich habe zu tun.«
    Manuchehr hüpfte auf und ab und sagte, »Ich komm mit. Ich komm mit.«
    Meine Mutter, die wußte, was es bedeutete, ich hätte zu tun, sagte, »Nein, mein Liebling, du kannst nicht mitgehen. Dort ist doch kein Platz für Kinder!« Und zu mir sagte sie, »Mahbub, nimm diesen Marmeladentopf mit«, »Mahbub, nimm auch diese Schüssel Baqlava mit«, »Mahbub, wenn ich dir Tee und einen Zuckerhut gäbe, würdest du ihn mitnehmen?« Einmal reichte sie mir sogar einen Kaschmirschal und sagte, »Nimm den auch mit.«
    Ich antwortete, als sprächen wir in Geheimsprache, »Chanum Djan, das erwartet doch niemand von mir.«
    »Es geht doch nicht darum, wer was erwartet. Ich selbst will, daß du es mitnimmst.«
    Ich kehrte von Hassan Chans Haus zurück. Als ich zu Hause eintraf, war die Amme gerade dabei, das Speisetuch für das Mittagessen zu decken. Meine Mutter war nicht im Zimmer. Die Amme sagte unbefangen, »Gestern nacht hat Mansur Aghas Frau entbunden.«
    Der Stachel des Neids bohrte sich mir ins Herz, des Kummers und der Trauer. »Meinen herzlichen Glückwunsch. Was ist es?«
    »Ein Mädchen. Mansur Agha ist außer sich vor Freude. Als man Nimtadj Chanum sagte, ›Du hast eine Tochter geboren‹, hat sie gesagt, ›Genau die hatte ich mir von Gott gewünscht.‹ Und Mansur Agha…«
    Meine Mutter, die gerade das Zimmer betrat, bemerkte, wie mir zumute war, und sagte, »Ach…, na wenn schon. Was hast du, FrauAmme? Sie hat doch nicht den Chyber-Paß erobert! Täglich entbinden Hunderte, sie ist nur eine davon.«
    Doch der Kummer, nicht gebären zu können, wurde wieder in mir geschürt. Ich wußte, daß sich mir, anders als Nimtadj Chanum oder jeder anderen Frau, dieser Wunsch nie mehr erfüllen würde. Ich würde nie wieder Mutter werden können. Gott verfluche dich, Rahim.
    Zwei, drei Tage später fragte mich meine Mutter, »Mahbub Djan, kommst du, daß wir Nimtadj Chanum besuchen gehen?«
    »Ich komme nicht mit.«
    »Ach! Gott lasse mich sterben. Weshalb kommst du denn nicht mit? Die Frau deines Cousins hat entbunden.«
    »Hat Mansur etwa seine Cousine besucht, daß ich seine Frau besuchen gehe? Hat sich Nimtadj etwa nach mir erkundigt?«
    »Die arme Nimtadj setzt doch keinen Fuß außer Haus. Sie sagt allen, ›Wallah, Sie müssen entschuldigen, aber ich bin zu sehr damit beschäftigt, mich um den Haushalt und das Kind zu kümmern.‹ Schließlich ist die Ärmste herzkrank. Die Geburt war schädlich für sie. Es war Gottes Wille, daß sie heil davongekommen ist…«
    Die Amme fiel ihr ins Wort, »Chanum, das sind nur Ausreden. Das Problem liegt anderswo. Sie will nicht, daß jemand ihr Gesicht sieht. Wallah, das ist doch kein Gesicht, als hätten es die Raben mit ihren Schnäbeln…«
    Meine Mutter schnitt ihr das Wort ab, »Es reicht, Frau Amme. Red nicht so vor mir, ich kann es nicht leiden. So eine reizende Frau. Sie tut keiner Fliege etwas zuleide.«
    Ich sagte, »Geht ihr hin. Ich werde Nozhat besuchen gehen. Heute abend hat ihr Ehemann eine Einladung, und sie ist allein.«
    Die Amme und Manuchehr begleiteten meine Mutter. Manuchehr ging mit, weil er sich darauf freute, das Baby zu sehen, andernfalls hätte er mich nicht losgelassen. Als sie zurückkehrten, fragte ich, »Nun, wie sieht das Baby aus?«
    Meine Mutter erwiderte gleichgültig, »Nun ja, es ist halt ein Baby. An einem Neugeborenen läßt sich doch nichts erkennen«, und sie verließ das Zimmer.
    Die Amme sah ihr nach, bis sie sich überzeugt hatte, daß sie sich entfernt hatte, und sagte dann leise, »Ein Mädchen wie ein Blumenstrauß. Hellhäutig, rotbäckig und rundlich. Augen so groß wie Untertassen.Ihr

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