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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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überschrieben hat. Also mußt du ihr auch eine Wohnung besorgen…«
    Rahim fiel ihm ins Wort, »Womit soll ich das bezahlen?«
    »Genau, da liegt das Problem. Aber das ist noch gar nichts. Die Hauptsache kommt noch. Du mußt ihr auch das Brautgeld voll und ganz auszahlen. Du weißt ja, es ist nicht wenig. Du weißt, das Brautgeld gilt als Schuld, und du mußt es auf Abruf auszahlen. Das heißt, daß die Frau jederzeit ihr Brautgeld verlangen kann. Egal, ob vor der Scheidung oder danach. Hast du das gut verstanden?«
    Rahim streckte die Hand aus und sagte, »Eine haarlose Handfläche schlägt man doch nicht ab!«
    Seine Hand erschien mir grob und häßlich. War ich zuvor blind gewesen? Mein Vater sagte, »Aber ich tu es. Ich werde anordnen,daß man sie solange mit Holzstöcken schlägt, bis ihr Haare wachsen. Meine Tochter hat mir auch ihr Brautgeld vermacht. Entweder zahlst du es aus, oder ich werde dich ins Gefängnis werfen lassen, damit du solange dort bleibst, bis dein Haar ebenso weiß sein wird wie deine Zähne.«
    Rahim verstummte. Das Lachen war ihm vergangen. Mein Vater fuhr fort, »Aber wenn du in die Scheidung einwilligst, werde ich dir erstens das Brautgeld erlassen. Zweitens werde ich den Laden auf deinen Namen überschreiben lassen.«
    »Was ist mit dem Haus?«
    »Das würde dir im Halse steckenbleiben. Wie unverschämt er doch ist! Was für ein Bastard!«
    »Ich will auch das Haus. Ich kann doch nicht auf der Straße leben.«
    Mein Vater sagte, »Überleg es dir gut. Nur den Laden. Und wenn du nicht einwilligst, werde ich nach Ma’sumes Onkel, dem Polizisten, und nach ihren ungehobelten Brüdern schicken lassen. Ich werde ihnen alles erzählen. Den Laden und das Brautgeld meiner Tochter werde ich auf Ma’sume Chanums Namen überschreiben lassen. Und meine Tochter wird nötigenfalls vor jedem Gericht bezeugen, daß du mit diesem Mädchen ein Verhältnis hast, so daß du sie heiraten mußt und ihren verkommenen Brüdern ausgeliefert bist. Nun ist es an dir zu entscheiden.«
    Ach, wie sehr ich es genoß. Ich empfand Schadenfreude. Ich wollte aufspringen und meinen Vater abküssen. Es stimmte, wenn es hieß, man solle jede Sache dem Sachkundigen überlassen.
    Rahim war verzweifelt. Er wußte sich keinen Rat und war leichenblaß. Er fragte, »Wann soll ich mich von ihr scheiden lassen? Wohin muß ich gehen?«
    »Gleich morgen früh bei Sonnenaufgang kommst du an die Haustür und gehst mit Firuz Chan zum Notariat. Ich habe schon die entsprechenden Anweisungen gegeben. Du wirst unterschreiben. Hast du das verstanden? Dreimalige Scheidung. Sobald du unterschrieben hast, werde ich dir das Brautgeld erlassen und den Laden im selben Notariat auf deinen Namen überschreiben.«
    »Woher soll ich wissen, daß Sie Ihr Versprechen halten?«
    »Daher, daß ich nicht so schäbig bin wie du.«
    Ich war über die Schlagfertigkeit und Lebenserfahrung meinesVaters entzückt. Rahim fragte, »Wer bezahlt die Notariatskosten?«
    Mein Vater sagte, »Ich«, und erhob sich, um das Zimmer zu verlassen.
    Das bedeutete, daß Rahim ebenfalls zu gehen hatte. Ich drehte mich ebenfalls um, um das Zimmer zu verlassen. Rahim sagte, »Mahbub!«
    Mein Vater wandte sich abrupt um und fragte grob, »Was hast du mit ihr zu tun?«
    Ich war stolz und hocherfreut, daß mein Vater mir so deutlich den Rücken stärkte.
    Rahim sagte, »Bitte erlauben Sie, daß ich kurz mit ihr allein spreche. Darf ich mich nicht von ihr verabschieden?«
    Mein Vater war unschlüssig. Er warf mir einen Blick zu. Er fürchtete, daß ich mich wieder erweichen lassen würde. Er wußte ebenfalls, daß Rahim mich wieder beschwatzen wollte. Daß er sich wieder einschmeicheln wollte. Er fürchtete, daß er mich wieder in seinen Bann ziehen könnte. Beide Männer glaubten noch, mein Herz sei so sanft und zerbrechlich wie ehedem. Dasselbe naive und gutgläubige Mädchen, das sich durch einen Blick und eine wilde Haarlocke in die Falle locken läßt. Wie simpel die Männer doch sind, sie sind wie die Kinder. Ich trat auf Rahim zu, stellte mich vor ihn und sagte kalt, entschlossen und hochmütig, als würde ich zu einem Fremden sprechen, »Sag, was hast du mit mir zu tun?«
    Mein Vater sagte, während er das Zimmer verließ, »Ich bin gleich hier in der Nähe.«
    Das war eher an Rahim gerichtet denn an mich. Wehe, wenn er mich quälen würde! Wehe, wenn er mich wieder schlagen würde! Mein Vater verließ das Zimmer und schloß die Tür. Rahim hob den Kopf und sah mir in die

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