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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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freute mich. Je mehr Personen im Raum waren, desto unbesorgter war ich. Ich hatte keine Lust mehr auf ein Liebesabenteuer. Keine Lust mehr auf solche Kindereien. Die Amme stellte einen kleinen Beistelltisch zwischen uns und ging hinaus. Ich wußte, daß sie durch den Türspalt zusehen würde, vergaß sie jedoch augenblicklich, denn Mansur kam ohne Umschweife auf die Hauptsache zu sprechen.
    »Mahbube, ich bin gekommen, um mit dir zu sprechen. Die Zeit ist jetzt reif dafür.«
    Ich geriet durcheinander. Ich wollte aufstehen und stellte das Teeglas, das sich in einem silbernen Halter befand, auf den Tisch und sagte, »Gut, dann lassen Sie mich auch Chanum Djan Bescheid sagen.«
    Er beugte sich vor und packte mich am Handgelenk. Er zwang mich, mich wieder hinzusetzen, ließ jedoch meine Hand nicht los. »Ich hatte gesagt, nur mit dir.«
    Meine Hand lag unter seiner auf meinem Knie. Als würde Nozhat sie halten oder Chodjasteh. Aber ich sah, daß er errötete. Er drückte mir nicht die Hand, senkte jedoch den Kopf. Einen Augenblick lang sah er unsere Hände an und zog dann behutsam seine Hand zurück. Eine Weile herrschte Schweigen. Ich bemühte mich nicht mehr, es zu brechen. Er hatte gesagt, was er sagen wollte. Er schlug die Beine übereinander, verschränkte die Arme vor der Brust und starrte in die Flammen des Ofens.
    »Mahbube, ich möchte dich noch immer heiraten.«
    Ich zitterte am ganzen Leib. In Gedanken sah ich die leidgeprüfte Gestalt einer Frau, deren Gesicht trotz all ihrer Hochherzigkeit und Besonnenheit durch die Pocken entstellt war. Eine Frau, die ein Mädchen im Säuglingsalter besaß und die ihren eigenen Sohn und den ihrer Hawu betreute. Ich wurde auf Mansur wütend. Ich sah mich auf Koukabs Niveau herabgesetzt. Mansur hatte mich nicht einmal darum gebeten. Sein Tonfall klang fast schon gebieterisch. Als hätte er ein Anrecht auf mich. Als hätte ich auf solch einen Antrag gewartet und vor lauter Sehnsucht nach diesem Augenblick die Stunden gezählt. Ich sagte, »Ich bin noch immer nicht bereit, deine Frau zu werden.«
    Er erhob sich und stellte sich wieder ans Fenster, um den Schnee zu betrachten. Seine Hände steckten in den Taschen. Er schwieg eine Weile und sagte dann ganz behutsam, wie ein Vater, der sein Kind ermuntert, über einen Rinnstein zu springen, »Du wirst es werden. Du mußt es werden.«
    Verblüfft sperrte ich den Mund auf. Ich sagte, »Mansur, du hast eine noble Frau. Ich hab sie ja nicht gesehen, habe es aber gehört. Liebevoll, geachtet und gebildet. Ich habe gehört, wie man sie für ihre Würde lobte. Sie zieht den Sohn ihrer Hawu, deinen Sohn, vorbildlich groß. Und dann kommst du, obwohl deine Frau vor kaum einem Jahr entbunden hat, und willst mich heiraten?«
    Er faßte sich an die Stirn, als hätte er Schmerzen. Als wäre er beschämt. Er sagte, »Denkst du, ich wüßte das nicht selbst? Ich habe es hundert Mal zu Nimtadj gesagt. Seit dem Tag, an dem sie hörte, daß du dich hast scheiden lassen, sagt sie, ›Du mußt Mahbube heiraten. Wenn du nicht gehst und um ihre Hand anhältst, werde ich es tun.‹ Aber ich willigte nicht ein. Sie war schwanger. Ich wollte sie nicht quälen. Und danach stillte sie das Kind. Außerdem ist ihr Herz nicht ganz gesund. Aber jetzt wird sie das Kind entwöhnen. Sie will es so. Sie zwingt mich dazu. Mit Ashraf war es genauso. Nur wollte ich es damals nicht, aber jetzt will ich es. Ich begehre dich wirklich, Mahbube.«
    Er wandte sich um, trat näher und legte seine Hand auf die Rücklehne meines Stuhls. Er beugte sich so weit herab, daß ich mir sagte, gleich wird er mich küssen. Prompt dachte ich mir, daß ich in diesem Fall aufstehen und aus dem Zimmer gehen oder ihm ins Gesicht schlagen müßte. Aber er küßte mich nicht, sondern sagte nur, »Mahbube, ich begehre dich. Von Anfang an begehrte ich nur dich. Du mußt meine Frau werden. Das weißt du ganz genau. Sag nur, wann?«
    »Niemals.«
    »Weshalb?«
    »Weil du eine Frau hast, und zwar eine gute Frau. Ich hab mich auch ein Mal verliebt. Ich war verrückt nach ihm. Ich habe geheiratet, was ich zutiefst bereue. Ich kann niemanden mehr lieben, Mansur. Nicht, daß ich noch an diesen schamlosen Kerl denken würde! Keineswegs. Es ist nur, daß ich dafür nicht mehr empfänglich bin. Ich habe kein Verlangen mehr danach. Ich kann für niemandenmehr so leidenschaftlich empfinden. Ehemann, Liebe und Verliebtheit, all das ist mir mittlerweile zuwider. War es Leidenschaft, so war es ein für alle

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