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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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Ich erhob mich. Er fragte, »Wohin?«
    »Ich gehe Tee holen.«
    »Setz dich. Ich hab heute abend so viel Tee getrunken, daß ich sterbe. Ich will, daß du meine Frau wirst. Wenn ich dich anschaue,muß ich mich wundern, wie sehr du dich in diesen paar Jahren verändert hast. Statt dich altern zu lassen und zu zerbrechen, hat all der Kummer dich noch hübscher gemacht. Du bist attraktiver geworden und weißt es selbst nicht. Deine jugendliche Pummeligkeit ist verschwunden. Du bist schlanker geworden und noch gewachsen. Dein Blick wirkt abgeklärter. Dein Gesicht ist fraulicher und lieblicher geworden. Deine Umgangsformen sind anmutiger geworden. Nicht umsonst wünschte ich mir schon als Kind, daß du meine Frau wirst.«
    »Und was ist mit Nimtadj Chanum?«, fragte ich.
    »Ach! Das ist ein anderes Thema. Wir haben im Gegensatz zu allen Neuvermählten in der Hochzeitsnacht nur zusammengesessen und miteinander gesprochen. Sie sagte, ›Ich habe sehr viel durchgemacht. Gott weiß, wie oft man mich verspottet hat. Damit, daß meine jüngeren Schwestern verheiratet sind und ich übriggeblieben bin. Damit, daß niemand meinetwegen an die Haustür geklopft hat. Unter alldem habe ich sehr gelitten. Deshalb habe ich Gott mein Leid geklagt. Ich bat Ihn, er möge mir einen achtbaren und angesehenen Ehemann bescheren. Selbst, wenn er nur dem Namen nach mein Ehemann sein sollte. Ich weiß, daß ich älter bin als Sie. Daß ich pockennarbig bin. Und ich erwarte auch nichts von Ihnen. Seien Sie nur mein Ehemann. Selbst, wenn sie nachts nicht bei mir sind, spielt es keine Rolle. Ich wäre damit einverstanden. Es genügt mir, wenn es heißt, Nimtadj hätte einen guten Ehemann bekommen. Bereits ab heute nacht steht es Ihnen frei, sich eine weitere Frau zu nehmen. Eine junge, hübsche und gesunde Frau. Sie müssen es sogar tun. Sie sollten meinetwegen nicht leiden. Versprechen Sie mir nur eins. Daß sie mich respektieren. Daß Sie mich nicht tadeln und anderen nicht erlauben, mich zu demütigen. Das ist alles.‹
    Seit dieser Zeit habe ich ihr kein böses Wort gesagt. Sie bestand darauf und hat hartnäckig Ashraf für mich ausgewählt. Sie sagte, ›Ich weiß, daß einem jungen, gutaussehenden Mann wie Ihnen das Zusammenleben mit mir schwerfällt.‹ Ich habe es von Anfang an mit Ashraf besprochen und eine entsprechende Vereinbarung mit ihr getroffen. Aber sie hat sich bereits nach dem ersten oder zweiten Monat nicht mehr daran gehalten. Sie sagte, ›Weshalb soll Nimtadj die Große Chanum sein und ich die Kleine? Weshalb gehst du eine Nacht zu ihr und kommst die andere zu mir? Weshalb läßt du dichnicht von ihr scheiden?‹ Und ich sagte, ›Von dir würde ich mich scheiden lassen, aber nicht von Nimtadj. Diese Frau ist ein Engel.‹
    Nach deiner Scheidung sagte Nimtadj zu mir, ›Ich weiß, daß du Mahbube begehrst. Geh und heirate sie.‹ Ich entgegnete ihr, ›Bist du schon wieder auf Ärger aus?‹ Sie sagte, ›Nein, sie unterscheidet sich von Ashraf wie der Tag von der Nacht. Sie ist aus derselben Familie wie du, hat eine angesehene Familie und Kinder…‹«
    Mansur unterbrach sich. Lächelnd vervollständigte ich seinen Satz, »Und Kinder bekommt sie nicht mehr. Oder? Hat sie das gesagt? Hat sie nicht gesagt, falls du ein blutjunges Mädchen heiraten würdest, würde deine Ehefrau wieder in deiner Achtung sinken, sobald es schwanger werden würde? Hat sie das nicht gesagt?«
    »Ja, das hat sie gesagt. Sie sagte, ›Jemand wie sie würde mich nicht auszustechen versuchen. Sie würde dir nicht meine Kinder verleiden, um sich mit ihren eigenen bei dir einzuschmeicheln.‹ Sie sagte, ich müßte eines Tages doch heiraten, und du wärest in jeder Hinsicht die passende. Sie hat recht, Mahbube. Es genügt, wenn du sie respektierst. Laß sie die Herrin des Hauses sein und gönn es ihr, die Große Chanum zu sein. Die Herrin meines Herzens bist du.«
    Gekränkt sagte ich, »Du hättest zunächst mit meinem Agha Djan sprechen müssen.«
    »Damit du mir wieder eine Abfuhr erteilst? Damit du wieder sagst, du willst nicht? Schon mit fünfzehn warst du eigensinnig und rebellisch. Soll ich etwa jetzt mit deinem Vater sprechen? Ich hör nicht mehr auf deine Worte. Ich begehre dich, Mahbube. Es genügt, wenn du Nimtadj akzeptierst, den Rest regle ich.«
    »Ich habe noch nicht mal ja gesagt, und du stellst schon Bedingungen?«
    »Du wirst ja sagen, du mußt es tun. Denk gut darüber nach.«
    Ich reckte den Kopf, wie damals in Onkelchens Garten,

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