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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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doch, daß du Ata od-Doules Sohn nicht grundlos ablehnst! Sag bloß, du hattest andere Pläne. Du warst in Gedanken woanders.«
    Ich schwieg. Ich hatte andere Pläne. Mein Körper zitterte, ich fror. Ich war froh, daß mein Schwager im Biruni damit beschäftigt war, mit seinen Klienten und Pächtern herumzufeilschen. Ich schaute rechts und links, daß bloß keine Bedienstete einträte. Ich streckte die Hand aus und nahm das Sherbetglas neben der Hand meiner Schwester, die sich an das Sitzkissen zurückgelehnt hatte. Mein Mund war ausgetrocknet. Ich nippte ein wenig am Saft. Es half nichts. Ich wollte das Glas auf den Boden stellen, da fiel es hin, und der Saft ergoß sich. Meine Schwester sagte, »O weh, alles ist klebrig geworden. Zinat,… Zinat…«
    Sie rief nach der Dienerin, damit sie den Sherbet aufwischte. Eiligst legte ich meine Hand auf ihr Knie und sagte, »Um Himmels willen, ruf niemanden, Schwesterchen. Ich wische es selbst auf.«
    Ich suchte um mich herum nach einem Lappen. Schließlich sagte meine Schwester, die mich mit offenem Mund ansah und den auf dem Teppich vergossenen Sherbet vergessen hatte, »Was ist denn in dich gefahren, Mahbube? Als wüßtest du nicht mehr, wer du bist. Du bist völlig durcheinander. Fürchtest du dich vor etwas?«
    Mir stockte der Atem. Die Worte waren mir im Halse steckengeblieben und erstickten mich. Ich legte meine Hand, die kalt wie einEisklumpen war, auf ihre warme Hand, »Schwesterchen, werden Sie nicht Krach schlagen, wenn ich Ihnen etwas erzähle? Um Papas willen, bitte fangen Sie kein Gezeter an!«
    Meine Schwester ergriff meine Hand und fragte, »Warum frierst du so, Mahbube, was ist denn los?« Allmählich begann sie sich zu sorgen. Erschrocken fuhr sie fort, »Sag es, sag mir, was los ist. Hab keine Angst. Sprich es aus. Du hast dich doch nicht etwa verliebt?«
    Ich staunte über ihren Scharfsinn. Doch schien sie selbst nicht zu glauben, was sie gesagt hatte. Diesen Satz hatte sie nur zur Betonung meiner Verwirrung und Zerstreutheit benutzt. Ich ließ den Kopf sinken und sagte, »Ja, Schwesterchen, ich habe mich verliebt.« Und plötzlich begann mein Kinn unwillkürlich zu zittern, und Tränen füllten meine Augen.
    Meine Schwester sah mich fassungslos an. Sie blinzelte ein, zwei Mal. Vielleicht versuchte sie aus dem Traum zu erwachen. Dann fragte sie behutsam, wie eine, die im Halbschlaf spricht, »Verliebt in Mansur…?«
    »Nein.«
    Es dauerte einen Augenblick, bis sie die Bedeutung meines Wortes begriff, und diesmal war sie es, die entsetzt einen Blick auf die Zimmertür warf. Sie senkte ihre Stimme noch weiter. Ihre rechte Hand umklammerte nach wie vor die Wasserpfeife. Mit der Linken schlug sie sich auf den Kopf. Sie beugte sich zu mir herab und sagte, »Gott laß mich sterben, Mahbube, ist das wahr?« Ich schwieg. Eine Träne tropfte mir aus dem Auge. »Sag, was in aller Welt soll ich tun? In wen hast du dich verliebt?« Und während sie ihr Gedächtnis nach jungen Männern absuchte, denen ich in meinem eingegrenzten Leben hätte begegnen können, zählte sie diese einen nach dem anderen auf, »Du hast dich doch nicht etwa in den Sohn der Prinzessin verliebt, den, von dem du sagtest, seine Tante Tahere Chanum…«
    »Nein, Schwesterchen.«
    »Wer dann? Wer bloß?« Gedankenverloren starrte sie auf den Boden und schüttelte ihren Kopf. Das Feuer der Wasserpfeife war erloschen, und sie hielt die Pfeifenspitze immer noch in die Faust gepreßt. »Der Sohn der Tante väterlicherseits? Aha, du hast dich doch nicht etwa in den Sohn der Tante mütterlicherseits verliebt? Derjenige, der um Chojastehs Hand anhält?«
    Ungeduldig antwortete ich, »Nein, Schwesterchen, nein. Die sind es doch nicht.«
    »Wer ist es dann? Gott laß mich sterben, Mahbub, wer dann? Es ist doch nicht etwa ein verheirateter Mann? Hat er Zutritt zum Andaruni ? Ist es ein Verwandter? Wo hast du ihn gesehen?«
    »Nein, kein Verwandter, Schwesterchen…«, schluchzend begann ich zu weinen.
    »Nicht? Wer ist es dann? Begehrt er dich ebenfalls? Habt ihr euch abgesprochen?«
    Die Tränen hörten nicht auf, »Ja, Nozhat Djan, er begehrt mich ebenfalls.« Wieder schlug sie sich mit der Hand auf den Kopf und sah mich starr an. Ich sagte, »Daß du dich bloß nicht grämst, Nozhat…, denn…, denn… er ist nicht von besonders geachteter Herkunft.«
    »Ist er nicht? Wer ist es denn?« Nun war es ihre Hand, die zitterte. Sie ließ die Wasserpfeife fahren und preßte beide Hände an ihren Kopf. »Es

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