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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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einem bekannten jungen Mann. Dem Sohn eines Prinzen, Ministers, Anwalts oder Chans, des Grafen Sowieso oder des Fürsten Soundso…
    Im Raum wurde es still. Meine Mutter fauchte meine Schwester an, »Hatte ich nicht mit dir gesprochen, Mädchen? Ich fragte, in welchen Hundesohn hat sie sich verliebt?« Sie schrie Nozhat an, als hätte die etwas verbrochen. Als wäre Nozhat schuldig.
    »Regen Sie sich nicht auf, Chanum Djan. Sie kennen ihn nicht. Ich kenne ihn auch nicht…«
    Dieses Mal fragte meine Mutter nur, »Wer?«
    »Der Junge da…., der Junge, der im Laden… dieser Schreinerei da… da an der Straße Lehrling ist. Sie sagt, er heißt Rahim. Rahim der Schreiner.«
    Meiner Mutter, die meine Schwester ansah, fiel die Hand von der Hüfte. Und selbst wenn man ihr die Kehle zugepreßt hätte, ihre Augen wären nicht so fürchterlich hervorgequollen. Plötzlich fiel sie, ohne ein Wort zu sagen, auf die Knie. Das Geräusch des Aufpralls hallte durch den Raum. Wie ein Kamel, dem man die Fesseln durchtrennt hat. Sie verbarg ihr Gesicht in den Händen. Der Schlag hatteihr Kraft und Willen geraubt. Ich zitterte, und meine Schwester, die mir einen giftigen Blick zuwarf, biß sich auf die Lippen. Behutsam fragte sie, »Chanum Djan! Chanum Djan! Geht es Ihnen nicht gut?«
    Vollkommen verzweifelt hob meine Mutter den Kopf. Als sei alles Blut aus ihr gewichen. Ein schmerzerfülltes und bedrücktes Lächeln trat auf ihre Lippen, und sie sah meine Schwester liebevoll an und fragte, »Du hast doch gescherzt, Nozhat Djan?« Als sie das Schweigen bemerkte, verbarg sie erneut das Gesicht in den Händen und sagte, »O weh!…«
    Ich hatte Mitleid mit meiner Mutter. Meine Schwester schrie, »Mahbube, lauf und hol Essig aus dem Keller.«
    Meine Mutter sagte, »Essig? Zum Teufel mit dem Essig…«
    Ich lief in den Keller und brachte eine Schale Essig. Meine Schwester redete auf meine Mutter ein. Sie tröstete sie und versuchte sie zu überreden, »Es ist nun mal so, Chanum Djan, sie will seine Frau werden.«
    »Kommt überhaupt nicht in Frage. Nur über meine Leiche. O weh, Asche auf mein Haupt, was soll ich dem Agha antworten? Er wird sagen, wie du deine Tochter aufgezogen hast, ist gerade mal deine Zöpfe wert.«
    Ich hielt ihr den Essig unter die Nase. Sie schlug ihn mit dem Handrücken heftig beiseite. Der Inhalt der Essigschale schwappte mitten ins Zimmer. Meine Schwester fuhr dazwischen, »Was tun Sie denn da, Chanum Djan? Sie sind doch kein Kind mehr! Nun sprechen Sie erst einmal mit Agha Djan. Überhaupt werde ich dableiben. Heute nacht werde ich selbst mit ihm reden.«
    Meine Mutter schlug sich mit der einen Hand auf die andere, »Gott, laß mich sterben, um Himmels willen, Nozhat. Schämst du dich nicht? Hast du keinen Funken Ehre? Hast du auch noch deinen Verstand dieser Vermaledeiten geopfert?« Und sie wandte sich an mich, »Ein Unheil werde ich über dich bringen, daß dich die Vögel des Himmels beklagen. Du wagst es, dich zu verlieben? Noch dazu in den Schreinerlehrling an der Straße! Asche auf dein würdeloses Haupt, Tochter des Bassir ol-Molk. Asche auf mein Haupt, daß ich diese Tochter großgezogen habe!«
    Meine Mutter heulte laut auf.
    Meine Schwester sagte, »Nicht, Chanum Djan, tun Sie das nicht.Sonst wird Ihre Milch versiegen!…« Sie warf meiner Mutter den Arm um den Hals und küßte sie.
    »Besser, daß sie versiegt. Besser, daß mein Kind diese Milch des Zorns nicht zu trinken bekommt. Hab recht schönen Dank, Mädchen. Da hast du uns ja ein schönes Malheur beschert… Was soll ich nun deinem Vater sagen? Soll ich sagen, deine Tochter hat sich in Leili verwandelt? Hat sich in den Taugenichts von Schreiner aus dem Viertel verliebt? Soll ich ihm sagen, du mußt der Schwiegervater des Schreiners an der Straße werden? Des gemeinen, hungerleidenden Schreiners?«
    Nach und nach schwoll ihre Stimme an vor Zorn. Ich weiß nicht, wie die Wut jäh in mir aufstieg und ich mich traute, ebenfalls die Stimme zu erheben. Vielleicht hatten die Leere des Hauses und die Abwesenheit meines Vaters mir diese Kühnheit verliehen. Ich sagte, »Na und, wenn er hungert, soll er doch. Müssen denn alle reich wie Krösus sein? Er arbeitet, er stiehlt doch nicht! Nozhat hat es nicht gesagt, also tu ich es selbst. Er will zum Militär, Offizier werden.« Ich holte Luft und fuhr fort, »Arbeit ist doch keine Schande! Agha Djan selber liest jede Nacht das Buch Leili und Madjnun . Und dann sagen Sie…«
    Meine Mutter ging auf mich

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