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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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nicht irgendwohin ausgehen? Benötigt er die Kutsche nicht?«
    »Nein, Agha Djan wird heute abend zu Hause sein. Ich werde ihm ausrichten, daß Firuz Chan etwas für mich zu erledigen hatte.«
    Dadde Chanums Bauernschläue erwachte, »Ich fürchte, daß es spät wird, wenn wir hin- und zurückfahren, so daß wir den Dampfzug nicht mehr erreichen. Schließlich muß ich, wenn ich dorthin fahre, auch auf einen Sprung bei meiner Schwester vorbeischauen.«
    »Macht nichts. Sie können bei Ihrer Schwester übernachten, aber morgen früh sind Sie wieder da, ja?«
    Ehe sich die Amme entzückt entfernen konnte, fing ich sie bekümmert und verlegen ab, »Hier, Dadde Chanum, zünd auch zwei Kerzen für mich an. Und das hier ist für dich.«
    Ich drückte ihr das Geld in die Hand. Sie mimte Bescheidenheit, »Nein, Mahbub Chanum, Ihre Schwester hat mir doch Geld gegeben. Wenn wir schon nach Schah Abdol-Azim gehen, werden wir auch zwei Kerzen für Sie anzünden. Es ist doch reichlich!«
    »Nimm, Dadde Chanum. Wenn nicht, nehme ich es dir übel.«
    »Danke dir, möge dein Wunsch in Erfüllung gehen.«
    Im Zimmer hatte meine Mutter die Schwester mit beiden Händen am Arm gepackt und fragte, während sie ungeduldig darauf wartete, daß Dadde Chanum und ihr Ehemann den Hof des Andaruni verließen, mit leiser und besorgter Stimme, »O je, warum gehen die denn nicht? Weshalb machen die so viel Umstände? Ach, du verflixtes Frauenzimmer, nun mach schon!… Was ist passiert, Nozhat? Was in aller Welt soll ich tun? Hattest du Streit mit deinem Mann? Habt ihr euch zerstritten? Weshalb hast du Manuchehr zu euch bringen lassen? Du bringst mich noch um den Verstand…«
    Vor lauter Sorge hatten sich Mutters Augen mit Tränen gefüllt, und meine Schwester tröstete sie, »Haben Sie noch etwas Geduld, Chanum Djan. Ich schwöre bei Gott, daß von Streit keine Rede ist.«
    »Was dann? Weshalb läßt du das Haus räumen?«

Dadde Chanum und ihr Mann gingen fort. Meine Schwester sah es vom Fenster aus und sagte, »Chanum Djan, setzen Sie sich. Und du, Mahbube, komm her und setz dich ebenfalls. Du mußt auch dabei sein.«
    Verwundert drehte sich meine Mutter langsam zu mir um und starrte mich mit offenem Mund an. Ruhig kniete ich mich auf den Boden, legte die Hände auf meinen Rock und senkte den Kopf. Mein Herz hatte erneut heftig zu schlagen begonnen, und ich war ganz blaß im Gesicht.
    Meine Schwester packte meine Mutter am Arm, »Setzen Sie sich, Chanum Djan. Setzen Sie sich hin, damit ich erzählen kann.«
    Meine Mutter befreite sich heftig aus ihrem Griff. Während sie dastand, sagte sie mit einer Festigkeit und Kraft, die sie schlagartig wieder in die allmächtige Mutter verwandelte, »Wirst du endlich sagen, was los ist? Hatte ich nicht mit dir gesprochen, Nozhat? Warum sagst du nichts? Rück schon heraus damit!«
    Nozhat stand meiner Mutter gegenüber. Eine Augenblick besah sie sich ihre Finger, die auf den Falten ihres Kleides ruhten. Dann hob sie den Kopf und blickte meiner Mutter direkt in die Augen, »Chanum Djan, Mahbube will nicht Mansurs Frau werden.«
    Ich bemerkte, daß ihre Stimme zitterte.
    Mama warf einen entgeisterten Blick auf mich und Nozhat und sagte, »Na und, deswegen braucht man doch nicht das Haus zu räumen. Was ist denn an Mansur auszusetzen? Wie sehr ich auch nachdenke, an Mansur kann ich nun keinen Fehler mehr entdecken. Ichweiß nicht, hat er sich vielleicht ihr gegenüber ungebührlich verhalten? Hat er etwas gesagt? Ist irgend etwas vorgefallen? Warum will sie ihn denn nicht heiraten?«
    »Sie will Mansur nicht.«
    Es schien, als begriffe meine Mutter allmählich, wollte es jedoch noch immer nicht glauben, »Sie will Mansur nicht? Mansur will sie nicht, Ata od-Doules Sohn will sie nicht. Wen will sie denn?«
    »Chanum Djan, regen Sie sich bitte nicht auf! Um die Wahrheit zu sagen… Mahbube hat sich verliebt…«
    Einen Augenblick lang herrschte Stille. Die Augen meiner Mutter weiteten sich in ungläubigem Zorn. Sachte hob sie ihre Hand, stemmte sie in die Hüfte und wandte sich leichenblaß mir zu, die ich nach wie vor mit gesenktem Kopf dasaß.
    »Bravo! Das ist ja eine schöne Bescherung! Was erlaubst du dir eigentlich!«
    Meine Schwester ergriff ihren Arm, »Chanum Djan, fangen Sie um Gottes willen kein Gezeter an. Wahren Sie das Gesicht.«
    »Das Gesicht? Wahren? Das ist schon verloren. Jetzt hat sich das werte Fräulein also verliebt?… In welchen Hundesohn?…«
    Auch sie forschte in ihren Gedanken nach

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