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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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ist doch kein Zwang. Heftig erwiderte ich, »Wäre ich nur achtbar, wenn ich dich begehrte? Muß ich nun mein Gesicht verlieren, da ich nein sage? Es ist doch kein Zwang. Geh nur und stell mich bloß, um dein Mütchen zu kühlen. Geh und posaune es aus. Sollte ich das Gesicht verlieren, wirst du es noch vor mir verlieren.«
    »Ich das Gesicht verlieren? Was geht’s mich an? Bin etwa ich bis über beide Ohren verschossen?«
    »Nein, mein Lieber. Ich bin es, deine Cousine. Geh nur und sag allen, Mahbube begehrt einen Schreinerlehrling. Laß dich von allen auslachen. Laß dich von allen kritisieren und dir, wie du es selber ausdrückst, vorwerfen, ›War Mansur nicht einmal soviel wert wie ein Schreinerlehrling?‹ Laß deine Schwestern das Haus hüten, bis ihre Haare weiß sind wie ihre Zähne. Spuck nach oben, damit du’s ins Gesicht bekommst. Damit alle sagen, Mahbubes Cousinen sind genau wie sie. Hast du denn nicht geschworen? Aber es macht nichts. Geh nur und sag es, damit mich Onkelchen und Agha Djan unter ihren Füßen zerquetschen und du zufrieden zusehen kannst.«
    Er schwieg und hörte zu. Er sah, daß ich die Fassung verloren hatte und konnte mir, einer Fünfzehnjährigen, diese Meuterei nicht glauben. Dann erwiderte er nachdenklich, »Hast du gesagt, was du sagen wolltest? Als was für ein Ungeheuer du dich entpuppt hast! Steh auf und geh. Doch unter einer Bedingung. Ich will dir nie mehr in die Augen sehen müssen.« Er warf den Apfel mit Empörung ins Wasser und sagte angewidert, »Ich wußte nicht, daß du einen so miserablen Geschmack hast. Wie dreist und frech du geworden bist. Nur gut, daß ich es rechtzeitig bemerkt habe.«
    »Und was wirst du ihnen nun sagen?«
    »Irgendwas werde ich ihnen schon sagen.«
    »Hör auf, die Stirn zu runzeln. Setz nicht diese Miene auf.«
    »Willst du, daß ich die Trommeln schlage? Willst du, daß ich für dich Freudentänze aufführe?«
    »Nein, aber so merken sie alles.«
    »Nur keine Sorge, die lassen sich nicht einmal träumen, als was du dich entpuppt hast.«
    Er hatte recht.
    Langsam drehte er sich um und machte sich auf den Weg. Er war am Boden zerschmettert. Mein Kummer hatte sich auf ihn übertragen. Ich fürchtete ihn nicht mehr, aber ich spürte Gewissensbisse. Ich schämte mich vor mir selbst.
    Ein Geflüster setzte ein. Die Frau des Onkels ging von Zimmer zu Zimmer und drehte sich wie ein geköpftes Huhn im Kreis. Schließlichsuchte sie meine Mutter auf. Gemeinsam betraten sie ein Zimmer und schlossen die Tür. Chodjasteh, meine Cousinen und mein jüngerer Cousin, die noch getuschelt und gekichert hatten, als wir ans Ende des Gartens gingen, waren mittlerweile verstummt und beobachteten aus verschiedenen Winkeln bestürzt das Geschehen. Das Personal war bemüht, lautlos aufzutreten, und die Amme nörgelte zum ersten Mal über Manuchehr.
    »Ach Kind, was quengelst du denn dauernd?«
    Meine Mutter verließ zornrot das Zimmer der Frau des Onkels, kam direkt in unseres und befahl der Amme gekränkt und mit finsterer Miene, »Pack alles zusammen. Morgen früh fahren wir ab.«
    Die Amme schlug sich aufs Knie, »O weh, Chanum Djan, wohin sollen wir denn fahren? Es war doch abgemacht, daß wir sieben oder acht Tage hierbleiben. Was wird dann aus Mahbubes und Herrn Mansurs Angelegenheit?«
    »Nichts, was sollte daraus werden? Es hat sich zerschlagen.«
    Die Amme sagte wie vom Blitz getroffen, »Es hat sich zerschlagen?«
    »Der Junge hat seiner Mutter gesagt, ›Ich will nicht.‹«
    »Ach, wie denn? Bis gestern warb er um sie.«
    Meine Mutter erwiderte ungeduldig, »Nun, jetzt tut er es halt nicht mehr.«
    »Was ist denn bloß geschehen? Weshalb?«
    »Er hat seiner Mutter gesagt, ›Mahbube ist zu kindisch. Verwöhnt und verzogen. Ich will eine Frau, nicht mit Puppen spielen. Bis heute dachte ich, ich wollte. Jetzt merke ich, daß ich nicht will. Wann immer man den Schaden verhütet, es ist ein Gewinn. Überhaupt erscheint sie mir wie eine Schwester.‹ Und dann ist er ausgeritten. Seine arme Mutter weiß auch nicht wohin, ob in die Stadt oder zur Rebhuhnjagd.«
    Die Amme, die sich weiterhin bekümmert aufs Knie schlug und sich vor und zurück wiegte, wandte sich schließlich an mich, »Ach, würde ich doch statt deiner sterben, Kind. Gräme dich bloß nicht…«
    Ich konnte ein Lächeln nicht unterdrücken, »Nein, liebste Amme, da gibt es doch nichts zu grämen.«
    Meine Mutter, die hinter der Amme stand, die mit unserem Gepäck beschäftigt war, warf mir einen

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