Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
Vom Netzwerk:
Augen, spürte jedoch am Ton seinen heftigen Stolz, eine Mischung aus Familienehre und Eifersucht.
    »Was fällt dir ein?«
    Er befand sich in einem derartigen Zustand, daß ich mir sagte, gleich schlägt er zu. Doch er tat es nicht. Er besaß zuviel Charakter, als daß er die Hand gegen eine Frau erhoben hätte. Ich sagte, »Psst, fang um Gottes willen nicht an zu schreien. Mein Vater würde mich umbringen. Du hast es versprochen. Du hast es beim Leben deiner Mutter geschworen.«
    Er schwieg und preßte die Zähne derart zusammen, daß der Kiefer hervortrat. Er wurde rot vor Zorn und ging auf und ab. Kaute an seiner Lippe. Er fragte, »Weiß es der Onkel? Weiß es seine Frau?«
    »Ja, ich habe es allen gesagt. Deshalb wollen sie mich zwingen zu heiraten. Sie denken, daß ich von ihm ablassen würde.«
    »Ha! Sie wollen dich mit Zwang verheiraten, damit du von ihm abläßt. Einen Dümmeren als mich haben sie wohl nicht gefunden?«
    Erneut beschwor ich ihn, »Mansur, um Gottes willen, fang nicht an zu schreien.«
    »Wer ist es?«, fragte er.
    »Du wirst es nicht glauben.«
    »Doch, werde ich. Dir ist alles zuzutrauen. Sag, wer ist es?«
    Ich wußte nicht, ob es günstig war, es zu sagen oder nicht. Doch ich riskierte es. Komme, was da wolle. Ich weiß nicht, ob es aus Rachsucht gegen meine Eltern war, oder ob ich jemandem mein Herz ausschütten wollte, auch wenn der Betreffende selber an dem Spiel beteiligt war. In jenem Augenblick betrachtete ich ihn als älteren Bruder und fürchtete mich nicht vor seiner Zurechtweisung.
    »Ein Schreinerlehrling.«
    Auch er stand wie festgenagelt. Auch ihn fror wie alle anderen, als er es erfuhr, und er erstarrte. Langsam drehte er sich um zu mir und lachte laut vor Zorn und Verachtung, »Ein Schreinerlehrling!« Einen Moment lang schwieg er und sah mir in die Augen, um in ihnen eine Spur von Schalk und Belustigung zu entdecken. Er dachte, ich verspottete ihn, und sagte, da dem nicht so war, haßerfüllt, »Oh… da dreht sich einem ja der Magen um. Schämst du dich nicht?«
    Rasch sagte ich, »Noch ist er Schreiner. Sobald er genügend gespart hat, will er zum Militär gehen.«
    Er lächelte verächtlich, »Ach so, er will also zum Militär gehen? Wann, bitte schön?«
    Weshalb glaubte mir niemand? Weshalb lachten alle, wenn vom Militär die Rede war? Was war denn daran auszusetzen? War es etwa unmöglich? Spöttisch sagte ich, »Du wirst es schon merken, wenn er geht. Dürfen nur diejenigen, die Gärten und Ländereien besitzen, Offiziere werden?«
    Er sah mich so grimmig an, daß ich verstummte. Er machte einpaar Schritte und sagte dann, »So ist das also… Also bin ich nicht einmal so viel wert wie ein Schreinerlehrling?«
    Ihm war nicht zu helfen. Erneut hatte er ›Schreinerlehrling‹ gesagt. Ich wollte ihn trösten, »Doch, bei Gott. Was redest du da? Du bist weitaus mehr wert. Aber was soll ich tun? Ich wundere mich ja selbst. Ich bin ihm verfallen…«
    Wie er war ich über meine Schamlosigkeit und Offenherzigkeit entgeistert. Scharf erwiderte er, »Gut, das reicht. Kehren wir um.«
    »Nein, so geht es doch nicht. Was willst du ihnen denn sagen?«
    »Was ich ihnen sagen soll? Ich sage, ›Mahbube will mich nicht. Und bis jetzt hat sie mich an der Nase herumgeführt.‹«
    »Nein, sag das um Gottes willen nicht. Agha Djan bringt mich um.«
    »Was meinen Sie, soll ich also sagen?«
    »Sag, ›Ich will Mahbube nicht‹…«
    Er schnitt mir das Wort ab, »Ich werde mich doch nicht selber zum Narren machen. Bis gestern sagte ich ›Ich will‹ und heute soll ich sagen ›Ich will nicht‹? Vermutlich darf ich anschließend deine Hand in die Hand des Herrn Schreiners legen. Nein, meine Liebe, diese Feigheit nicht mit mir.«
    »Hab Erbarmen, Mansur, um Gottes willen. Es wird einen Skandal geben…«
    »Erbarmen mit dir? Als hättest du mit jemandem Erbarmen! Verlier doch deinen Ruf. Vollkommen schamlos sagst du mir ins Gesicht, du hättest es auf einen anderen abgesehen. Wenn es wenigstens ein anständiger Mensch wäre. Ein Schreiner! Wie wenig du fürchtest, deine Ehre zu verlieren!«
    Wieder flammte der Zorn in mir auf. War ich auch diesem Jüngling, dessen Schnurrbart gerade erst zu sprießen begann, Rechenschaft schuldig? Mußte ich dulden, daß er mich anschrie? Er war doch mit mir gemeinsam aufgewachsen, so daß er mir nichts voraus hatte. Daß er kein Anrecht auf mich hatte. Und der will sich vor mir als Mann aufspielen? Er kommandiert mich herum. Ich will ihn nicht, es

Weitere Kostenlose Bücher